Stadtarchiv Zug
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Digitale Publikationsreihe zur Stadtzuger Geschichte
Beitrag 1
Der grosse Umbruch im Kleinen
(Teil 1)
Erstellt — 21.12.2023
Geändert — 26.09.2024
Herausgeber — Stadtarchiv Zug
Redaktion — Stadtarchiv Zug
Autor — Daniel Schläppi
Lesezeit — 74 Minuten
Zeichenzahl — 48089
Abbildungen — 11
ISBN — 978-3-9525975-0-7
ISSN — 2813-8848
Permalink — https://doi.org/10.62326/NKPHLQ8C
www.stadtarchivzug.ch © 2023
Daniel Schläppi
Am 30. Mai 1874, also am Tag vor der ersten Versammlung der neu geschaffenen Einwohnergemeinde Zug, veröffentlichte das liberale Zuger Volksblatt einen euphorischen Lobgesang auf die neuen Verhältnisse. Am 31. Mai seien «die Niedergelassenen, als ‹Mitbürger› – gleich in Rechten und Pflichten, mit dem Ortsbürger, – zur Gemeindeverhandlung eingeladen», hiess es. Für «uns Liberale» sei dies «ein Tag der Freude und der Genugtuung». Die «Einwohnergemeinde, die Gleichberechtigung der Niedergelassenen und der Ortsbürger nicht allein beim ‹steuern›, sondern auch beim ‹stimmen›» sei ein «ächtes Kind liberaler Bestrebungen und liberaler Gedanken» und ein «geistiger Sieg des Liberalismus, ein Zugeständnis der Gegner, das die Zeitverhältnisse mit unumgänglicher Notwendigkeit ihnen erst abtrotzen musste. [...] Feiern wir den Sieg unserer Ideen und Bestrebungen durch zahlreiches Erscheinen an der Urne!»[1]
Abb. 1 — Ausschnitt aus der ersten Seite des Bürgerratsprotokolls von 1874. Anfang 1874 hatten die Dinge noch ihre Richtigkeit und Klarheit gehabt. Der «Stadtrat» nannte sich ganz natürlich «Stadtrat», wie er dies seit Jahrhunderten getan hatte. Doch damit würde bald Schluss sein, denn Mitte Juli trat der «Einwohnerrat» als neue Exekutivbehörde der politischen Gemeinde auf den Plan. (Bildnachweis: BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 2.1.1874)
An diesem Freudentaumel irritiert, dass ausgerechnet die Liberalen die ersten freien Gemeindewahlen boykottierten, während ihr Parteiblatt eindringlich mahnte, es sei «für sämtliche Einwohner eine Pflicht», sich ungeachtet der «Absichten der Parteien» bezüglich personeller Besetzung der Räte «lebhaft an der Wahl des Einwohnerrates» zu beteiligen[2], um «im gegenseitigen Einverständnis Männer, wenn auch von verschiedenen Parteiansichten» zu bestimmen, die «Fähigkeiten und guten Willen beurkunden und besitzen, um die Obliegenheiten der Einwohnergemeinderäte – sozusagen als Geschäftssache – in vollkommenster Weise» zu erfüllen.[3]
Später wurde ruchbar, dass vor den Wahlen «eine freundschaftliche Vereinbarung auf Personen, welche Liberale für ihre Partei verlangt hatten», gescheitert war.[4] Sie hatten «drei ehrenwerte, tüchtige Kandidaten aufgestellt», die «den Vergleich mit allen Herren Konservativen» aushielten.[5] Diese jedoch hätten ihre «getreuen Schafe» wie üblich «zusammengetrölt, um ja jeder Gefahr zu begegnen».[6]
Die Einwohnergemeinde wurde also nicht einmütig in einem Freudenfest aus der Taufe gehoben. Dass das heute noch bestehende zugerische Institutionengefüge von Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinde samt seinen Gremien, dem Einwohnerrat (heute Stadtrat), dem Bürgerrat und dem Kirchenrat – eine Überschau des Wirrwarrs historischer Bezeichnungen findet sich in den Anmerkungen[7] – trotz seiner konfliktreichen Startphase 150 Jahre überdauert hat, ist bemerkenswert. Dies erst recht in Kenntnis der holprigen Anfänge, die hier anhand von vielfältigem Quellenmaterial nachgezeichnet werden.
Abb. 2 — Ausschnitt aus dem Bürgerratsprotokoll vom 27.5.1874. Nicht zu beneiden waren in wechselvollen Zeiten wie diesen die Schreiber. Wer wollte es ihnen übelnehmen, wenn sich in ihren makellosen Protokollseiten, die sie voller kalligrafischer Inbrunst verfassten, aus purer Gewohnheit hin und wieder Fehler einschlichen. Hier hatte der Schriftführer den alten Souverän, die «Bürgergemeinde», doch glatt mit dem neuen Souverän verwechselt, der «Einwohnergemeinde». (Bildnachweis: BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 27.5.1874)
Um die verworrenen Vorgänge im Detail zu verstehen, müssen neben dem Archiv der Einwohnergemeinde auch Bestände ihrer älteren Schwester, der historischen Bürgergemeinde, weitere Verwaltungsakten sowie der Nachlass von Alois Schwerzmann, der im fraglichen Geschehen federführend mitwirkte, einbezogen werden.[8] Zur Abrundung des Bildes lohnt sich der Blick in die Parteiblätter der Konservativen und der Liberalen, die Neue Zuger Zeitung (NZGZ) und die Zuger Nachrichten (ZN) zum einen, das Zuger Volksblatt (ZV) zum andern.[9]
Dank der guten Überlieferungslage lässt sich tiefenscharf nachvollziehen, wie eine konservative, von der katholischen Kirche geprägte Gesellschaft nach Jahrhunderten gefühlter Kontinuität den Herausforderungen entgegenzutreten versuchte, mit denen sie das 19. Jahrhundert in allen Lebensbereichen konfrontierte. Entscheidende Faktoren des fundamentalen Wandels waren Bevölkerungswachstum und verstärkte Arbeitsmigration in Verbindung mit einer wirtschaftlichen Umwälzung von einer klassischen Agrar- in eine moderne Industriegesellschaft.[10]
Die unbestrittene Schlüsselfigur rund um die Konstituierung der Einwohnergemeinde und die nachfolgende Güterausscheidung in der Stadt Zug war Alois Schwerzmann.[11] Bei ihm liefen im Sommer und Herbst 1874 alle Fäden zusammen. Er wirkte als Vordenker und Macher im Hintergrund und bereitete im Verbund mit ausgewählten Allianzpartnern das Terrain, auf dem er dem Stimmvolk auch umstrittene Entscheidungen schmackhaft machen zu können glaubte. Synchron dazu konzipierte er das kantonale Güterausscheidungsgesetz.[12]
Aufgrund seiner Vita war dazu niemand geeigneter als er. Nachdem er am Jesuitenkollegium in Freiburg i. Üe. den letzten Schliff bekommen hatte, trat er seine berufliche Laufbahn 1843 mit 17 Jahren als Sekretär der Staatskanzlei an. 1848 wurde er Schreiber der neu gegründeten Korporation. Von 1850 bis 1852 und von 1862 bis 1891 sass er im Kantonsrat. Von 1852 bis 1872 amtete er als Landschreiber und von 1852 bis 1896 als Kantonskassier. Von 1872 bis 1874 war er Zuger Stadtpräsident und Mitglied der Verfassungskommission. Ebenfalls 1872 wählte ihn das Stimmvolk in die Regierung, der er bis 1880 angehörte (1874–1878 als Landammann). Dazu kamen viele Jahre im Stände- und im Nationalrat (1854–1861 bzw. 1873–1878).
Abb. 3 — Alois Schwerzmann (1826–1898). Nur wer wie Alois Schwerzmann im öffentlichen Leben etwas darstellte, wurde schon 1855 fotografisch in Szene gesetzt. Ein Meister dieses Fachs war der Berner Fotograf Carl Durheim, auch bekannt für seine zeitgleich entstandenen Fahndungsbilder von Heimatlosen, die er in bukolischem Dekor ablichtete. Hier inszenierte er den Zuger Ständerat, der während der Session in der Bundesstadt zuhanden der Nachwelt posierte, mit Büchern und Aktenbänden zu seiner Rechten als Staatsmann. Die Accessoires verkörperten perfekt das Wesen des Magistraten, dessen überquellender Privatnachlass ihn als vielschreibenden Beamten, pedantischen Verwalter, sorgfältigen Dokumentalisten und interessierten Exzerptor historischer Quellenbestände ausweist. (Bildnachweis: StAZG P 66)
Der ihm wohlwollenden Presse zufolge erlangte er über die Zeit «bedeutenden, mit den Jahren zunehmenden Einfluss auf Gang, Behandlung und Erledigung der Geschäfte».[13] Nach Gerhard Matter war er in den 1870er Jahren «die wohl geachtetste und einflussreichste Persönlichkeit im politischen Leben» des Kantons.[14] Doch er befand sich nicht bloss auf der Höhe seiner Macht, er kannte auch das kleine Einmaleins der Zuger Politik und Bürokratie in- und auswendig. Für das liberale Volksblatt war er auch posthum immer noch «unser Gegner», doch attestierte es ihm anerkennend, in Sachen Finanzhaushalt sei er «bis ins kleinste hinein» bewandert gewesen.[15]
Man bekommt den Eindruck, er habe sich nach dem frühen Tod seiner Gattin, Rosalia Hediger, nach nur sechs Ehejahren im Jahr 1855 voll und ganz dem Staatsdienst verschrieben. Er blieb unverheiratet, und in seinen Hinterlassenschaften finden sich vielfältige Privatnotizen und offizielle Akten zu Geschäften, die im Regierungsrat, in der Verwaltungskommission in der Stadtzuger Finanzkommission und vielen andern Gremien behandelt wurden, wo Schwerzmann überall federführend mitwirkte, da er aufgrund seiner beruflichen Erfahrung in diversen Verwaltungs- und Rechtsmaterien überaus bewandert war.
Ein Nachruf auf Schwerzmann, in dem ihm die Zuger Nachrichten in fünf aufeinanderfolgenden Nummern huldigten, erwähnte die Güterausscheidung zwar nicht explizit. Dennoch war sie eines der Lebensthemen des Politikers Schwerzmann gewesen.[16] Wie ein Leitmotiv tauchte die Materie zu unterschiedlichen Zeiten in jeweils variierenden Schattierungen und Kontexten auf. Bereits 1848 arbeitete er, mit 22 Jahren gerade zum Korporationsschreiber gewählt, zusammen mit Gustav Adolf Keiser, dem Führer der Liberalen, an der Ausscheidung zwischen Bürgergemeinde und Korporation und schickte diesem im November 1848 erstmals eine «Übersicht sämtlicher Vermögenszweige der Stadtgemeinde Zug» sowie ein paar allgemeine Überlegungen zur Thematik.[17] In seinem Empfangsbestätigungsschreiben vom 18. November 1848 gab Keiser zu erkennen, «es wäre ihm sehr lieb», von Schwerzmann bezüglich dieser «ebenso schwierigen und wichtigen als dringenden Angelegenheit» einen «kurzen Grundriss der Ausscheidung nach den von Ihnen gemachten Andeutungen zu erhalten, um näher prüfen zu können, in wie weit ich mit Ihren Ansichten einig gehe». Schwerzmann liess sich nicht lange bitten und übersandte bereits am 22. November seinen Entwurf, den er als «flüchtige Skizze» verniedlichte.[18] Dennoch würde es ihn freuen, so Schwerzmann, wenn «die entwickelten Grundzüge» Keisers «Billigung finden sollten, würde doch damit die Hoffnung wachsen», die Ausscheidung auf «gerechte und billige» Weise und «im Interesse und zum Wohle» seiner Gemeinde «bereinigt zu sehen». Aller Zuversicht zum Trotz sollte es 30 Jahre dauern, bis in der Stadt Zug alle Ausscheidungsfragen geklärt und unter Dach und Fach waren.
Ein derart grundlegender Prozess brachte zwangsläufig Konflikte mit sich und die politischen Gruppierungen gegeneinander auf. Insbesondere in den Industriegemeinden entlang der Lorze (Unterägeri, Baar und Cham) und in der Stadt Zug rissen tiefe Gräben auf zwischen alteingesessenen Bürgergeschlechtern, die seit Jahrhunderten von ihren Gemeingütern profitiert und auch sonst vielfältige Privilegien genossen hatten, und den Niedergelassenen (früher Hintersassen), die von den Einheimischen mit Abgaben und Gebühren belastet und nur auf Zeit geduldet wurden.[19] So empörte sich die konservative Neue Zuger Zeitung anlässlich der Gründung der Einwohnergemeinde darüber, dass nun «alle Lumpen, alle Dirnen und alles Gesinde» das Recht hätten, «sich an allen Orten heimisch niederzulassen und die Luft mit ihren Wohlgerüchen zu erfüllen». Bezüglich Stimmrecht für «die Armengenössigen und die Falliten» erachtete man als «unbillig, dass diejenigen über das Gemeindswohl mitberaten, welche für dasselbe keine finanziellen Opfer bringen, oder gar vielleicht den Bürgern zur Last fallen». Gleichen Rechten müssten wenigstens «annähernd auch gleiche Pflichten entsprechen».[20]
In Schnappatmung versetzte die konservative Postille ein Niedergelassener, der im Volksblatt unverhohlen behauptete, was «die Bürger von Urahnen für die Gemeindebedürfnisse geerbt» hätten, gehöre nicht «dem Keiser oder Hess [gemünzt auf damals einflussreiche Honoratioren aus alten Zuger Familien, DS], sondern dem Zwecke, für welchen es gegeben worden» sei.[21] Das Sprachrohr der ultramontanen Reaktion geiferte zurück, solche Ansichten wollten «alle Standesvorrechte» und «auch die politischen Vorrechte der Bürger gegenüber den Niedergelassenen» abschaffen und sah darin «einen frechen Angriff auf das Bürger- und Korporationsgut, ja sogar in letzter Instanz auf das Eigentumsrecht». Ein «folgerichtig denkender Kopf» genüge, um aus dieser «Auffassung der Standes-Vorrechte [...] den Sozialismus abzuleiten»![22]
Liberales Gedankengut löste bei den konservativen Eliten offenkundig Verlustängste aus, obwohl der Kanton seit der im Sonderbundskrieg erlittenen Demütigung nur für zwei Jahre von 1848 bis 1850 unter liberaler Herrschaft gestanden hatte. Die Freisinnigen hatten auch die 1874er Wahlen krachend verloren.[23] Und mindestens vordergründig waren sie auch gescheitert, als am 13. Dezember 1873 eine kantonale Verfassungsrevision angenommen worden war, die sie abgelehnt hatten und gegen die sie kurz nach Inkraftsetzung am 22. Dezember 1873 aus ideellen Gründen beim Bundesrat rekurrierten.[24] Doch unter dem Strich waren sie die geheimen Sieger, denn das neue zugerische Grundgesetz schrieb vor, dass das Gemeindewesen neu organisiert werden musste, löste so (ungewollt) zentrale Postulate des Freisinns ein und stiess die hier erörterten Umwälzungen überhaupt erst an.
In den wiederkehrenden Verfassungskämpfen der Zeit zählten Niederlassungsfreiheit, das kommunale Stimm- und Wahlrecht für alle Einwohner sowie die Verwendung der jahrhundertealten Gemeinde- und Korporationsgüter zur Finanzierung des öffentlichen Haushalts und insbesondere eines konfessionsneutralen Schulwesens notorisch zu den umstrittensten Themen. Und tatsächlich markierten die Gründungen neuer Gemeinden in Verbindung mit der Ausscheidung der alten Gemeindegüter symbolträchtige Schlüsselereignisse auf dem Weg vom vormodernen Gemeingüterstaat, der aus Furcht vor dem Widerstand der Bevölkerung ohne Steuern auskommen und die Verwaltung sowie die öffentlichen Dienstleistungen aus den Erträgen seiner Gemeingüter finanzierte musste, hin zum modernen Steuerstaat, der sein Leistungsangebot ausbauen und die zu erwartenden Mehrkosten über fiskalische Abschöpfung finanzieren wollte.[25]
Dieser ebenso schleichende wie fundamentale Umbruch fand seinen Widerhall auch im tagespolitischen Kleinklein. Im Frühjahr 1874 stand das Budget der Bürgergemeinde für das laufende Geschäftsjahr zur Diskussion, das ein paar kostspielige Vorhaben beinhaltete. Erwartungsgemäss gab das Volksblatt zu bedenken, die Realisierung dieser Projekte sei «nur durch vermehrte finanzielle Beanspruchung der Bürgerschaft möglich». Die bisherigen Einnahmen reichten dafür nicht aus.[26]
In der langen Dauer betrachtet, stellte die Gründung einer zweiten parallelen Gemeinde in Verbindung mit der daran gekoppelten Ausscheidung der Korporations- und Gemeindegüter einen Meilenstein der «Dekorporierung» dar, dem tiefgreifendsten Makroprozess des 19. Jahrhunderts.[27] In dem vordergründig banalen Ereignis, im Streit um das kommunale Wahlrecht und um die Teilhabe an den über Jahrhunderte angehäuften kollektiven Ressourcen des Gemeinwesens, kam alles zusammen. Es ging zum einen um langfristige strukturelle Veränderungen wie den Übergang von einer ständischen zu einer egalitären Gesellschaftsordnung und vom Gratis- zum Steuerstaat, Industrialisierung, Bevölkerungswachstum und Massenmigration, zum anderen um subjektive Befindlichkeiten, die ihren Ausdruck in konträren Gesellschaftsentwürfen, gegensätzlichen Menschenbildern, parteipolitischen, konfessionellen und weltanschaulichen Differenzen sowie in schwer vereinbaren Lebenskulturen fanden.
Der erste Teil dieser Serie untersucht, wie sich im Licht einer dermassen konfliktschwangeren Gemengelage die neuen politischen Gremien konstituierten.[28] Der zweite Teil wird sich mit der Güterausscheidung zwischen der alten Einheitsgemeinde und der neuen Einwohner- sowie Kirchgemeinde befassen.[29] Der dritte und letzte Teil wird untersuchen, wie sich die Stadtzuger Verwaltung unter den neu geschaffenen Vorzeichen entwickelte. Doch der Reihe nach.
Der Regierungsrat hatte den Wahltermin für die neu zu konstituierenden Einwohnerräte aller Gemeinden im Kanton auf den 31. Mai 1874 gelegt.[30] Glaubt man der Überlieferung, fand in Zug im Vorfeld der Wahl kein wirklicher Wahlkampf statt. Bemerkenswert ist aber, dass der Bürgerrat (noch als Stadtrat) am 27. Mai die Geschicke der (noch gar nicht konstituierten) Einwohnergemeinde vorspurte. So sollten «in offener Abstimmung» sieben Behördenmitglieder gewählt werden, die ab dem 31. Juli jene Geschäfte übernehmen würden, «welche bisher der Ortsbürgerrat als politischer Rat besorgte, im Besondern alle in das Bauwesen der polit. Gemeinde, in die niedere Polizei- u. in das Waisen- u. Vormundschaftswesen der Niedergelassenen einschlagenden Angelegenheiten».[31] Hingegen würden «das Kirchen u. Schulwesen, das Armen- Spital- Stipendien- u. bürgerl. Vormundschaftswesen zur Besorgung an die Kirchen- Schul- u. Bürgergemeinde» übergehen.[32] In seiner Geschäftstätigkeit sollte sich der Einwohnerrat am oben erwähnten «Voranschlag der polit. Gemeinde-Rechnung» vom 8. März orientieren und gewissermassen nach Ansage der Ortsbürger verwalten und regieren.
Am Wahltag wurden zuerst ein Antrag auf geheime Abstimmung abgelehnt, anschliessend der Weibel, sein Vertreter, der Schreiber, sein Substitut – alle versahen die gleichen Ämter in Personalunion auch für die Bürgergemeinde – und schliesslich sieben Einwohnerräte gewählt.[33] Landammann und Nationalrat Alois Schwerzmann und der damals einzige liberale Regierungsrat Josef Anton Bossard lehnten die Wahl noch in der Versammlung ab, Schwerzmann auch jene zum Präsidenten. Der alt Ständerrat und zweimalige Kantonsratspräsident Kaspar Anton Keiser, den die Protokolle durchgehend als «Dr. Kaiser-Muos» führten, und die beiden Kantonsräte Franz Hediger und Johann Blunschi nahmen das Amt nur unter der Bedingung an, dass es sich Schwerzmann und Bossard anders überlegen würden. Hypothekarschreiber Georg Nussbaumer von Oberägeri wurde in absentia gewählt und sagte später schriftlich ab.[34] Nur «Commandant Frz. Stocker» von Baar, der als einziger Niedergelassener und Liberaler ohne die Unterstützung seiner Partei gewählt worden war, nahm das Amt vorbehaltlos an.[35]
Abb. 4 — Ausschnitt der ersten Protokollseite der Einwohnergemeinde vom 31.5.1874. Der erste Protokolleintrag der neu geschaffenen Einwohnergemeinde war zwar weniger üppig ausgestaltet als die erste Seite des Stadtratsprotokolls zum Anfang des neuen Geschäftsjahrs (vgl. Abb. 1). Dennoch legte der Schreiber beim Titel nachgerade rührende Sorgfalt an den Tag. Einzig hatte er sich im Verhältnis von Schriftgrösse und Spaltenbreite verschätzt, sodass er gleich im ersten Wort des geschichtsträchtigen neuen Bandes nicht um eine unschöne Trennung herumkam. (Bildnachweis: StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 31.5.1874)
Da sich der Einwohnerrat nach diesem durchzogenen Wahlresultat unmöglich konstituieren konnte, lag der Ball wieder beim Bürgerrat, der am 3. Juni nach einer ernüchternden Manöverkritik zum Schluss kam, «Herr Landammann u. Nationalrat Schwerzmann» sei trotz zwischenzeitlich auch brieflich bekräftigter Absage «nochmals schriftlich u. dringenst zu ersuchen, von seiner Wahlablehnungs-Erklärung im Interesse seiner Vatergemeinde abzugehen».[36]
Am 12. Juli versammelte sich die Einwohnergemeinde zum zweiten Wahlgang.[37] Nachdem sie von diversen Absagen Kenntnis genommen hatte, ernannte sie als neue Einwohnerräte «einmütig» den Konservativen «Kirchm. Niclaus Kaiser an der Trubikon» sowie die beiden Liberalen «Major Wickart P.A. bei St. Carl» und «Eisenhändler Lieutt. J. Landtwing». Die drei Männer waren allesamt abwesend und unbeschriebene Blätter. Annehmen würde die Wahl einzig Kirchmeier Keiser.[38]
Das Volksblatt kommentierte hämisch, die Versammlung sei «sehr schwach besucht» gewesen, «weil die konservative Trölmaschine» nicht genügend in Schwung gekommen sei und sich die Liberalen «fast in konsequenter Weise» enthalten hätten.[39] Die beiden Parteien seien in der Stadt ungefähr gleich stark. Deshalb müsse die «Ausschliesslichkeit» der Konservativen bei den letzten Kantonsratswahlen «unbedingt gesühnt werden», bevor «es den Liberalen opportun» erscheinen werde, «in verschiedenen untergeordneten Stellen ‹Handlangerdienste› zu leisten». Nicht nur wollten «die Konservativen überall die Mehrheit haben, sondern sie behielten sich auch noch das Recht vor, ihnen ‹nicht genehme liberale Persönlichkeiten auszuschließen›. Die Konservativen mögen nun ihre Offiziere auswählen, an Aspiranten ist kein Mangel, die Liberalen werden sich einstweilen einfach damit begnügen, ‹Wache zu stehen›».[40]
Abb. 5 — Johann Blunschi (1845–1898). Erst 1872 war Johann Blunschi durch Kooptation in den Kantonsrat nachgerückt und zählte folglich noch nicht zum Kreis der konservativen Granden, als er 1874 gleich am ersten Wahltag in den neuen Einwohnerrat gewählt wurde, dem er jedoch nur bis 1877 die Treue hielt. Länger harrte er im Kirchenrat aus, in dem er von 1874 bis 1898 sass, zuletzt als Präsident. Bereits 1878 wechselte er in den Bürgerrat, den er von 1890 bis 1892 auch präsidierte. Von 1880 bis 1885 amtete er als Regierungsrat, schaffte es aber nie zum Landammann. Blunschis Politikerkarriere nahm mit der Wahl in den Einwohnerrat erst richtig Fahrt auf. (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Am 30. Juli tagte der Einwohnerrat in vorläufiger Fünferbesetzung (Keiser-Muos/Präsidium, Blunschi, Hediger, Keiser, Stocker) und entschied, vorerst keine weitere Ergänzungswahl festzulegen. Stattdessen sollten sich die Ratsmitglieder auf die Suche nach «geeigneten Personen» machen.[41] Ob diese Bemühungen fruchteten, ist nicht überliefert. Immerhin bestimmte das Gremium in gleicher Zusammensetzung, am 13. August eine dritte Wahlversammlung einzuberufen, «um baldigst zur Constituirung dieser Behörde schreiten zu können».[42] Dem Volksblatt kam das «etwas sonderbar vor». Man wisse nicht, «wer zur Zeit Präsident und Mitglied des Rates ist», und könne nur vermuten, wer abgelehnt habe. Offizielles finde sich weder im Amtsblatt noch in der Neuen Zuger Zeitung. Dennoch sollten «diejenigen, welche angenommen haben, allein fortamten», zumal gemäss Verfassung auch fünf Mitglieder ausreichten. Überhaupt liege es «im Interesse aller Parteien», wenn «eine grosse Zahl von Ratsherren entbehrlich gemacht würde». Auf Dauer seien die «gegenwärtigen Zustände doch nicht haltbar!»[43]
Am Vorabend der dritten Wahl tagte der Einwohnerrat erneut, jedoch ohne dass Personalfragen traktandiert gewesen wären.[44] Am 30. August kamen unter dem «Alterspräsidium des Hrn. Stadtarzt Kantonsrat Keiser» nur noch 70 Mann zur Wahlversammlung zusammen. Nachdem die Sitzungsleitung über die diversen Absagen (inkl. der neuerlichen von Schwerzmann) und über den gescheiterten Versuch, «mit den Liberalen, eine Verständigung zu erzielen» informiert hatte,[45] wählte die Gemeinde als Einwohnerräte den Niedergelassenen «Färber Jos. Schwerzmann» und «Casp. Brandenberg z. Widder».[46] Schwerzmann sagte noch vor Ort «entschieden» ab und doppelte per Schreiben vom 31. August nach, er werde «die Wahl unter keinen Umständen annehmen». Brandenberg erschien trotz offizieller Einladung nicht zur nächsten Sitzung des Einwohnerrats vom 5. September.[47]
Abb. 6 — Nikolaus Keiser (1830–1921). Anders als im Fall von Johann Blunschi verlieh die Wahl in den Einwohnerrat der Politikerkarriere von Nikolaus Keiser keinen zusätzlichen Schub. Nachdem er 1878 aus dem Gremium ausgeschieden war, erlangte er erst 1894 wieder ein Amt und sass fortan für vier Jahre als «roter Farbkübel» im Kantonsrat. So hiessen im Volksmund die 15 Kantonsräte, die seit 1882 statt in ihren Gemeinden vom ganzen Kanton gewählt wurden. Rot war damals die Parteifarbe der Konservativen, die im Kanton unbestritten die Oberhand hatten. Die 15 «Farbkübel» garantierten ihnen eine ungefährdete Mehrheit. (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Zu ihrem Präsidenten ernannte besagte Versammlung «einmütig Herr Bauprsdt. F. Hediger».[48] Dieser nahm die Wahl aber erst «nach längerem Zureden» und nur bis Neujahr an und stellte zudem zwei Bedingungen. Erstens sollte die «Finanzcommission», von der noch die Rede sein wird, weiterbestehen, bis sämtliche «Rechnungs-Rükstände» aufgearbeitet wären. Zweitens müssten Landammann Schwerzmann und «Dr.
Abb. 7 — Franz Hediger (1829–1901). Der erste gewählte Präsident der Einwohnergemeinde im Amt war Franz Hediger, der wie Johann Blunschi 1872 erstmals in den Kantonsrat gewählt worden war. Seine bescheidene Erfahrung mag erklären, warum er das Präsidium nur unter dem Vorbehalt annahm, dass mit Landammann Schwerzmann und «Dr. Kaiser-Muos» zwei gestandene Politikerpersönlichkeiten weiterhin ihren Einfluss bei der Ausgestaltung des Schulwesens, dem im Ringen mit den Liberalen am schärfsten umkämpften Feld, geltend machen sollten. Der Wunsch nach Stabilität und Kontinuität dürfte auch hinter Hedigers zweiter Bedingung gestanden haben, die überaus bedeutsame Finanzkommission solle ihre Arbeit fortsetzen. Hediger sass bis 1898 im Kantonsrat, präsidierte diesen für drei Amtszeiten und schaffte 1889 auch die Wahl in den Nationalrat. (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Die Neue Zuger Zeitung berichtete den ganzen Sommer über nie von den Schwierigkeiten, mit denen die Einwohnergemeinde bei der Besetzung ihrer Exekutivämter kämpfte.[50] Erst am 9. September bemerkte sie beiläufig, dem «Vernehmen nach» habe sich der Einwohnerrat nun «endlich definitiv» konstituiert und unter dem Eindruck «der Erfolglosigkeit der wiederholt stattgefundenen Wahlgemeinden» beschlossen, die vakanten Sitze unbesetzt zu lassen. Die «grosse Teilnahmslosigkeit an den letzten Wahlverhandlungen» lasse vermuten, «die grosse Mehrzahl der hiesigen Einwohner- und Bürgerschaft» werde damit einverstanden sein.[51]
Das geringe Interesse des Stimmvolks dürfte dem Wahlstreik der liberalen Parteigänger geschuldet gewesen sein. Das konservative Fussvolk wusste vor jeder Versammlung, dass die eigenen Kandidaten auf sicher gewählt waren, was bestimmt manchen strammen Parteisoldaten daheim bleiben liess. Erklärungsbedürftig ist hingegen, wie wenig Interesse die gestandene Politprominenz an Gemeindeämtern zeigte. Vor der dritten Wahlversammlung hatte das Volksblatt darüber sinniert, wer «mit unsern politischen und sozialen Verhältnissen nicht näher vertraut» sei, könnte es «höchst auffallend und bedenklich» finden, dass ein «grosser Teil unserer intelligentesten und wohlhabendsten Bürger und Einwohner von diesen vermeintlichen Würden nichts wissen will».[52]
Wenn also Hypothekarschreiber Nussbaumer, der gerade erst als Kantonsrat abgewählt worden war, die Wahl «vermöge seiner Amtsstellung u. wegen überhäufter Arbeit» ablehnte, war dies in Betracht seiner fulminant verlaufenden Karriere und der vielfältigen Verpflichtungen, die er in den Folgejahren noch annehmen würde, eher eine faule Ausrede als die Wahrheit.[53] Was meinte wohl Alois Schwerzmann, wenn er schrieb, «dass es ihm die z.Zt. bestehenden Verhältnisse nicht ermöglichen, die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen»?[54] Und warum fühlten sich die diversen weniger bekannten Männer ob der ihnen zuteil gewordenen Volksgunst nicht geschmeichelt?
Abb. 8 — Dominik Hess (1825–1890). Warum die Bürgergemeinde Dominik Hess, als Korporationsrat seit 1852 und als Korporationspräsident seit 1867 in Amt und Würden sowie als wiederholter Kantons- und Regierungsrat und Kantonsratspräsident weitherum respektiert, nicht schon bei ihrer ersten Wahlversammlung in den Bürgerrat wählte, ihm nach erfolgreicher Wahl am zweiten Wahltag aber gleich auch noch das Präsidium aufhalste, zählt zu den Mysterien der Zuger Geschichte. Glaubt man seinem Nachruf im Volksblatt vom 8. Januar 1890, duldete er «ungern Widerspruch, hatte, in Amtstätigkeit, etwas diktatorisches an sich, was trotz guter Meinung, Vielen missfiel». (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Auf solche Fragen geben die Quellen leider keine Antworten. Dennoch lohnt es sich, im Licht des kontraintuitiven Befunds ein paar Vermutungen anzustellen, zumal die historische Forschung gerne unterstellt, Menschen strebten prinzipiell nach Macht und Herrschaftspositionen. Doch war es wirklich so reizvoll, im täglichen Verwaltungsgeschäft einer Kleinstadt, in der alle einander kannten, über Macht zu verfügen? Wohl kaum, denn über jeden Bagatellentscheid würde sich irgendjemand aufregen, sodass namentlich weniger charismatische Personen ohne angeborene Autorität vor der Annahme eines Amtes zurückschrecken mochten. Laut Volksblatt waren «die Ortsverhältnisse nicht besonders einladend», um «tüchtige Männer zur Annahme von vakanten städtischen Beamtungen zu bewegen».[55] Wer «unsere erbärmliche Kleinstädterei» kenne, werde «die Führung solcher Ämter schwierig und undankbar finden», zumal sie «je länger je mehr Zeit in Anspruch nehmen und ökonomische Opfer fordern». Und was den Verdienst angehe, müsse man sich nicht wundern, wenn jemand «lieber bei seinem Geschäfte bleibt und sich weder verfeinden noch ökonomisch schädigen will».
In Honoratiorenverwaltungen alten Stils schlugen qua institutionalisiertem und geselligem Verkehr mit den Ranghöchsten der lokalen Gesellschaft mindestens zusätzliche Ehrgewinne zu Buch.[56] Doch auch dieser Anreiz fehlte beim Einwohnerrat offenkundig, waren doch die Angesehensten aus der städtischen Nomenklatur nicht bereit, sich auf die Knochenarbeit im wöchentlichen Verwaltungsgeschäft einzulassen. Zudem drohten Alteingesessene in Erklärungsnot gegenüber ihren ebenbürtigen Mitbürgern zu geraten, wenn sie sich plötzlich für die Interessen von Niedergelassenen einsetzen sollten.
Kein Problem damit hatte der bereits mehrmals erwähnte Doyen «Dr. Kaiser-Muos», der kraft seiner Vita über solchen Dingen stand. Er sass von 1850 bis 1876 ohne Unterbruch im Kantonsrat und präsidierte diesen auch für zwei Amtszeiten. In den 1860er Jahren repräsentierte er den Kanton im Ständerat. Als Gerichts- und Stadtarzt förderte er den Bau des 1857 eröffneten Bürgerspitals und amtete bis 1870 als Spitalarzt. Mit seinen Brüdern gründete er 1845 die konservative Neue Zuger Zeitung, für die er in den 1850er Jahren auch als Redaktor wirkte. Weil Not am Mann war, sprang er Anfang 1874 mit 66 Jahren nochmals interimistisch als Spitalleiter ein und übernahm die «ärztliche Krankenbesorgung» der Armen- und Waisenanstalten und des Spitals.[57] Obwohl die Bedingungen, an die er die Annahme seiner Wahl geknüpft hatte, nicht eingelöst wurden, sprang er in der schwierigen Phase, als sich das Gremium mit viel Mühe zu konstituieren versuchte, als Alterspräsident in die Bresche, bis die Präsidiumsfrage Mitte September 1874 endlich gelöst werden konnte.[58]
Nur vierzehn Tage nach seiner Wahl in den Einwohnerrat wurde Keiser am 14. Juni 1874 auch in den Bürgerrat gewählt! Er erbat Bedenkzeit, lehnte aber das ihm angetragene Präsidium rundweg ab.[59] Am 21. Juli ernannten ihn seine Ratskollegen in Abwesenheit «einmütig» zum Vizepräsidenten des Bürgerrats und erteilten ihm eine Vollmacht, um Akten unterschreiben zu können, «die einer raschen Erledigung» bedurften. In der gleichen Sitzung wurde ihm zudem die Verantwortung für das Vormundschafts- und das Spitalwesen übertragen.[60]
Keiser scheint in konservativen Kreisen uneingeschränktes Vertrauen genossen zu haben, hatte er sich doch in zahlreichen Handlungsfeldern verdient gemacht und bewährt. In seinem Alter brauchte er auch keine Karriereziele mehr zu erreichen. Die Leitung der konstituierenden Sitzung, welche der Einwohner- und der Bürgerrat am 16. Juli 1874 gemeinsam abhielten, lehnte er «beharrlich» ab und überliess die Bühne Dominik Hess, der zwar erst im zweiten Anlauf in den Bürgerrat gewählt, dafür aber gleich noch zu dessen Präsident gekürt worden war.[61] Oberflächlich betrachtet, handelte Keiser aus Pflichtgefühl gegenüber dem Gemeinwesen. Als Animal politique wird er aber auch intuitiv gewusst haben, dass seine Erfahrung und sein Einfluss in der fundamentalen Transformation der kommunalen Institutionen wesentlich zur Wahrung konservativer Interessen und Kontinuität beitragen könnten.
Ursprünglich hatte der Regierungsrat den 21. Juni 1874 als Termin für die konstituierenden Versammlungen der neu zu bildenden Kirch- und Schulgemeinden bestimmt.[62] Der Bürgerrat hatte bereits das Polizeiamt beauftragt, die benötigten Stimmregister und Legitimationskarten zu erstellen, als die Kantonsregierung auf Weisung des Bundesrates die fraglichen Gemeindeversammlungen kurz vor dem Wahltag verschieben und die Bildung von Schulgemeinden ganz sistieren musste.[63] Das Kirchengut würde bis auf Weiteres vom Bürgerrat verwaltet, was durchaus Sinn ergab, stand er doch in gefühlter Rechtsnachfolge des Stadtrats, der über Jahrhunderte für die Kirchenpflege zuständig gewesen war.[64] Ausserdem gab es nur in der Einwohnergemeinde Protestanten, die ja schlecht als Aufseher der katholischen Kirche amten konnten.
Das Kirchenwesen nahm in den folgenden Monaten seinen gewohnten Lauf und blieb unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung. Als neuer Wahltermin wurde der 20. Dezember festgelegt. Die Neue Zuger Zeitung konstatierte am 16. Dezember, sie habe punkto «Parteiagitationen» nicht die «geringste Bewegung verspürt», und glaube auch, «dass selbst am Vorabend der Wahlen alles ruhig und still bleiben» werde.[65] Gleichzeitig wünschte sie sich eine «zahlreiche Beteiligung an den Gemeindeverhandlungen», denn künftige Kirchenräte müssten «dasjenige, was der fromme Sinn aufgebaut und gesammelt» habe, erhalten und dem Stiftungszweck gemäss verwenden. Das nachfolgend skizzierte Anforderungsprofil, das Kandidaten für diese Aufgabe prädestinieren sollte, stiess dem Volksblatt sauer auf. Es kam zum Schluss, die verlangten Tugenden könnten «schwerlich bei den Liberalen [...] vorausgesetzt werden». Ohne Zweifel würden auf diese Weise in den meisten Gemeinden «Ehrentitel» für Mitglieder des Piusvereins geschaffen, der als Hort der ultramontanen Reaktion galt.[66]
Abb. 9 — Innenraum der alten Pfarrkirche St. Michael. In der Pfarrkirche St. Michael hatte am 31. Mai 1874 bereits die erste Wahlversammlung der Einwohnergemeinde stattgefunden, aus der allerdings keine handlungsfähige Verwaltungsbehörde hervorgegangen war. Am 20. Dezember 1874 gelang die Wahl des Stadtzuger Kirchenrats auf Anhieb. Die Liberalen boykottierten beide Wahlen, sodass sich die Parteipresse genüsslich darüber mokierte, die Bänke auf der linken Seite, wo normalerweise die Liberalen sassen, seien leer geblieben. (Bildnachweis: Schweizerische Nationalbibliothek, 68712 B.5719)
Diesem gehässigen Vorgeplänkel zum Trotz verliefen die Wahlen dann in allen Gemeinden «in konservativ-kirchlichem Sinne».[67] Selbst in den notorischen Problemgemeinden Baar und Unterägeri siegten «die von den Konservativen ausgestellten Listen». Die Neue Zuger Zeitung sah darin den Beweis, dass das «Zugervolk in kirchlichen Dingen» weiterhin in «den Bahnen wandeln» wolle, «die seine Vorfahren unentwegt eingehalten haben», auch wenn in der Stadt die konservative Liste nur «in geheimer Abstimmung» und «bei nicht besonders starker Beteiligung» durchgegangen war.[68]
Einmal mehr hatten die Liberalen eine Wahl boykottiert, was das Volksblatt süffisant von nur «zirka 170 Konservativen» berichten liess, die vorsichtig darauf geachtet hätten, «nicht von liberalen Ideen angesteckt, oder als nur mit Liberalen befreundet angesehen» zu werden.[69] Sie hätten sich «alle in die Stühle rechts bis hinten in die Kirche» gesetzt und die Bänke auf der linken Seite, «wo gewöhnlich die Liberalen Platz nehmen», ganz leer gelassen.
Solche Häme konnte die Neue Zuger Zeitung nicht auf sich und ihrer Leserschaft sitzen lassen. Also doppelte sie nach, die früher geäusserte Andeutung, die Liberalen taugten «eigentlich zu Kirchenräten nicht sonderlich», habe nunmehr «unsere volle Zustimmung erworben», da «der ächte Liberalismus» in «totalem Gegensatze» zu «den Grundsätzen der Kirche» stehe. Dennoch befinde sich unter den Gewählten «auch ein liberaler Niedergelassener, was als Akt lojalen Entgegenkommens bemerkt zu werden» verdiene.[70]
Auch wenn laut konservativer Presse ein Wahlkampf um die zu besetzenden Sitze ausgeblieben war, hatte der Parteienzwist, der unterschwellig allzeit schwelte, auch die Wahl des Zuger Kirchenrats überschattet und geprägt. Vor diesem Hintergrund überrascht, dass Alois Schwerzmann, der ein halbes Jahr vorher den Posten als Einwohnerpräsident ausgeschlagen hatte, nun die Wahl zum Präsidenten des Kirchenrates annahm, obwohl er «mit vielen anderweitigen Amtsgeschäften überhäuft» war, wie das Protokoll der ersten Kirchenratssitzung vom 28. Dezember 1874 vermerkte.[71] Über die Gründe kann man nur spekulieren. Schwerzmann war bereits in vorgerücktem Alter. Altgediente Lokalpolitiker liessen ihre Laufbahnen gerne im Kirchenrat ihrer Gemeinde ausklingen, was bestimmt zusätzliches Ansehen und Ehrgewinne mit sich brachte.[72] Vielleicht sahen sie das Engagement im Dienste gelebter Frömmigkeit auch als Investition in ihre persönliche Jenseitsvorsorge. Im Fall von Schwerzmann kam dazu, dass er im Dezember 1874 die Güterausscheidung zwischen Bürger- und Einwohnergemeinde bereits in trockenen Tüchern glaubte, während jene zwischen der Bürger- und der Kirchgemeinde erst noch bevorstand und 1875 noch wiederholt zu reden geben würde. Ein weiterer Anreiz, das Amt zu übernehmen, könnte der Umstand gewesen sein, dass man in Zug wohl schon damals über einen prestigeträchtigen Kirchenneubau nachdachte, dessen Promotoren sich damit gerne ein bauliches Denkmal setzen wollten.[73]
Obwohl Anfang Juli 1874 erst ein Mitglied des Einwohnerrates sein Amt offiziell angenommen hatte, ermächtigte die versammelte Einwohnergemeinde am 12. Juli ihre noch sehr vorläufige Behörde, die Verwaltungsgeschäfte schon vor der «endschaftlichen Constituierung des Einwohnerrates» an die Hand zu nehmen.[74] Ohne dass sich der Rat zu einer vorberatenden Sitzung getroffen hätte, kam er nur vier Tage später mit dem Bürgerrat zusammen, um die Kompetenzen zwischen den beiden Gremien aufzuteilen. Bemerkenswert an der Sitzung vom 16. Juli sind folgende Punkte:[75]
– Landammann Schwerzmann wurde «zur Mitberatung» eingeladen, obwohl er in keinem Gemeindegremium Einsitz nahm oder sonst ein kommunales Amt innehatte.[76]
– Die strittigsten Themen, das Schul- und das Kirchenwesen, hatte die Zuger Regierung auf bundesrätliche Weisung bereits im Juni der Einwohner- bzw. der Bürgergemeinde übertragen und zudem die von der Zuger Verfassung vorgesehene Bildung konfessioneller Schulgemeinden sistiert. Grund dafür waren Beschwerden, die der protestantische Industrielle Heinrich Vogel-Saluzzi beim Bundesrat sowie der Einwohnerrat von Unterägeri beim Regierungsrat betreffend Schulpflege eingereicht hatten.[77] Allfällige Konflikte waren also bereits im Vorfeld auf höherer Ebene mit Rechtsmitteln ausgefochten bzw. verhandlungstaktisch heruntergekocht worden, auf dass die Verwaltungsorganisation ohne grössere Verwerfungen über die Bühne gehen würde.[78]
– Die Geschäftsführung der Räte sollte sich am Voranschlag für 1874 orientieren, den die Bürgergemeinde am 8. März verabschiedet hatte. Über dessen Einhaltung würde «eine Finanz-Comission» wachen, die von beiden Räten ernannt und mit je einem Vertreter pro Gemeinde bestückt werden sollte.
– Schliesslich wurde die «nähere Beratung der Ausscheidungsfrage, d.h. der Ausmittelung der Vermögensbestandteile, Rechte, Pflichten u. Lasten zwischen Ortsbürgern- u. Einwohnergemeinde» aufgeschoben bis nach der definitiven Konstituierung des Einwohnerrates.
Abb. 10 — Alois Schwerzmann (1826–1898). Die Wahl zum Präsidenten der Einwohnergemeinde hatte Alois Schwerzmann aus welchen Gründen auch immer abgelehnt. Dennoch entsteht der Eindruck, dass er den Lauf der Dinge in beratenden Funktionen und über informelle Kanäle ergebnisorientiert mitprägte. Spätestens als Mitte September 1874 der Finanzkommission die Güterausscheidung überantwortet wurde, avancierte er im verwirrlichen Geschehen zum Spielmacher. (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Mit der Finanzkommission trat jetzt also unvermittelt ein drittes Gremium auf den Plan, das für die kommunale Haushaltspolitik und die Güterausscheidung von entscheidender Bedeutung sein würde. Schon Mitte Juli 1874 scheint Einvernehmen darüber geherrscht zu haben, dass die gleichen drei Männer mit den erwähnten Aufgaben betraut werden sollten, die seit 1872 das städtische Finanzwesen überwachten und steuerten.[79] Diesem Triumvirat sass selbstredend Alois Schwerzmann vor. Die weiteren Mitglieder waren Regierungsrat Josef Anton Bossard und Korporationsschreiber Jakob Keiser, der im Frühjahr 1874 die definitive Güterausscheidung zwischen der Bürgergemeinde und der Korporation angeschoben und so die künftige Ausgestaltung der Stadtfinanzen erheblich beeinflusst hatte (vgl. Teil 2 dieser Serie).[80] Bereits die Sitzung vom 30. Juli 1874, an der sich der Einwohnerrat erstmals ohne den Bürgerrat beriet, bezeichnete «Hrn. Dr. Kaiser», der neu auch die Verantwortung für die Finanzen der Einwohnergemeinde übernahm, «als Bindeglied zwischen Rat u. Kommission».[81] Am 5. September wollte Franz Hediger das Präsidium der Einwohnergemeinde nur unter der Bedingung annehmen, dass «die gegenwärtige Finanzcommission» bestehen bleibe. Formell konstituiert und eingesetzt wurde diese vom Einwohnerrat jedoch erst am 17. September.[82]
Abb. 11 — Josef Anton Bossard (1816–1878). Der einzige Liberale, der in den hier beschriebenen Vorgängen einen gewisse Wirkmacht zu bewahren vermochte, war Josef Anton Bossard. Er war 1848 in den Rat der neu gegründeten Korporation gewählt worden und dort erstmals auf politischem Terrain auf Alois Schwerzmann, deren Schreiber, getroffen. Bossard war seit 1843 an der Sparkasse des Kantons Zug beteiligt und wurde 1872 deren Direktionspräsident. Im gleichen Jahr nahm er zusammen mit Alois Schwerzmann Einsitz in der städtischen Finanzkommission. Von 1864 bis 1878 sass er im Kantonsrat, den er 1878 präsidierte. Von 1868 bis 1877 hielt er in stürmischer Zeit als auf Ausgleich bedachter Finanzpolitiker im Regierungsrat für die Liberalen die Stellung. (Bildnachweis: Bibliothek Zug, Zuger Sammlung)
Erst noch hatten Schwerzmann und Bossard die Wahl in den Einwohnerrat abgelehnt. Nun konnten sie via Finanzkommission, die über weitreichende Kompetenzen verfügte, möglicherweise mehr Einfluss nehmen als einfache Ratsmitglieder, die sich vorwiegend mit lästigem Verwaltungskram und renitenten Mitbürgern herumschlagen mussten. Hinsichtlich ihrer Arbeitsweise und ihrer Zuständigkeiten lässt sich die Finanzkommission am ehesten als Haushaltsausschuss bzw. als Prüfungsstelle für die Stadt- und Spitalrechnungen beschreiben.[83] Über Jahre hinweg bemühte sich das Gremium im Auftrag der Stadt darum, mit den Amtsbürgen des Steuereinnehmers Bossard eine Übereinkunft bezüglich der Verluste zu erreichen, die der gestrauchelte Beamte in den 1860er Jahren nach seinem Privatkonkurs in der Stadtkasse hinterlassen hatte.[84] In der entscheidenden Phase der Gemeindeneubildung behandelte bzw. beanstandete die Kommission die Gemeindebudgets, so insbesondere auch die Etats für das Jahr 1875, die nebst anderen Indikatoren für die Güterausscheidung zwischen der Bürger- und der Einwohnergemeinde ausschlaggebend sein sollten.[85] In dieser Funktion legte sie beispielsweise die Sitzungsentschädigungen des Einwohnerrates fest, reduzierte oder strich einzelne Budgetposten, wies auf nicht budgetierte Einnahmen und zu erwartende Zusatzausgaben hin, machte Anregungen zur Steigerung der Einnahmen und ventilierte Möglichkeiten zur Deckung der zu gewärtigenden Defizite. Fallweise wurden auch die beiden Ratsdelegierten «Dr. Kaiser-Muos» (für den Einwohnerrat) und Kaspar Anton Luthiger (für den Bürgerrat) beigezogen, wohl zum Zweck, dass sie die von der Finanzkommission vorgezeichneten Entscheidungen in den Verhandlungen der von ihnen repräsentierten Räte mittragen und auf diese Weise legitimieren würden.[86]
Im Oktober 1874 schrieb Dominik Hess, seit 1867 Korporations- und neuerdings auch Bürgergemeindepräsident, an Alois Schwerzmann, bei dem alles «zersetzendem Zeitgeist» sei «der Bestand der Bürger Gemeinden, wie der Corporationen nur noch eine Frage der Zeit».[87] Er brachte damit die Urangst zum Ausdruck, die im 19. Jahrhundert in der Schweiz alle Bürgerschaften alten Herkommens umtrieb. Sie fürchteten, das Erbe ihrer Ahnen unwiederbringlich an unterprivilegierte, vagierende Bevölkerungsgruppen zu verlieren, gegen die sie in einer in schnellem Wandel befindlichen Gesellschaft plötzlich ihre alten und sicher geglaubten Privilegien verteidigen mussten.
In den Quellen ist nirgendwo ein programmatischer Text zu finden, in dem die konservativen Leitfiguren die Strategien formuliert hätten, die sie im Sommer 1874 verfolgten. Dennoch lassen die beschriebenen Vorgänge eine versteckte Agenda vermuten. Die Errichtung neuer Gemeinden war unabwendbar und die damit verbundene Güterausscheidung unausweichlich geworden. Interpretiert man die beschriebenen Taktiken als Rückzugsgefechte zwecks grösstmöglicher Wahrung der historischen Besitzstände, hatten die Konservativen alles richtig gemacht. Sie hatten die neuen Institutionen in ihrem Sinn aufgestellt und an allen Schlüsselstellen fähiges Personal in Position gebracht. Im Einwohner- und im Bürgerrat sass jeweils nur ein isolierter liberaler Niedergelassener. Die restlichen Posten besetzten durchwegs konservative Zuger Ortsbürger. Einige von ihnen verfügten dank jahrzehntelanger Amtstätigkeit über einschlägiges Wissen, einen enormen Erfahrungsschatz und tragfähige Beziehungen. Wie die noch zu schildernden Verhandlungen um die Güterausscheidung zeigen werden, wurden sie von fügsamen Mehrheitslieferanten flankiert.
Mit der Finanzkommission unter der Ägide von Alois Schwerzmann tauchte zudem wie von Zauberhand im entscheidenden Moment ein neuer institutioneller Akteur auf, der in der Güterausscheidung essenzielle Wirkmacht entfalten würde. Die umfassende Kenntnis der Stadtfinanzen und der Verwaltungsmechanik von Alois Schwerzmann erlaubten ihm als gewieftem Taktiker, die Geschehnisse der folgenden Monate sublim zu steuern. Wie er dabei vorging und was schliesslich dabei herauskam, wird Thema des zweiten Teils dieser Serie sein.
Endnotenverzeichnis
1. Zuger Volksblatt [ZV], 30.5.1874. – Zum Auftakt der neuen digitalen Publikationsreihe des Stadtarchivs Zug «18 Grad» erscheint eine Trilogie, deren Titel inspiriert ist von Polanyi, The great transformation, das 1944 erstmals erschienen ist. Es handelt sich dabei um ein wegweisendes Werk des bekannten Wirtschaftssoziologen mit ungarischen Wurzeln, in dem er die Entwicklung von einer politisch, sozial und relational eingebetteten Ökonomie in eine individualisierte, anonyme, kapitalistische Marktwirtschaft anhand der englischen Verhältnisse beschrieben hat. Im Zuge dieses Wandels entstanden demokratische Institutionen und rationale Verwaltungen im Geiste der Aufklärung. Die Herausbildung von Nationalstaaten brachte die Niederlassungsfreiheit für alle Bürger und dynamisierte damit die Arbeitsmärkte in zuvor unvorstellbarem Ausmass. Dieser Dreiteiler zeigt am Beispiel der Stadt Zug idealtypisch auf, dass sich genau diese fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen im Kleinen weniger vermittels revolutionärer Zäsuren als vielmehr in Form langwieriger und hintergründiger Prozesse vollzogen. Der disruptive Triumph der Freisinnigen von 1848 war in Zug von kurzer Dauer. Der neuen Verfassung zum Trotz übernahmen nach einem liberalen Interregnum von nur zwei Jahren bis auf Weiteres wieder konservative Kräfte das Kommando. In der Folge brauchte es mehrere heftige Verfassungskämpfe und ein allmähliches Umdenken und Einlenken bei tonangebenden Entscheidungsträgern, bis elementare Errungenschaften der neuen Ordnung wie etwa die politische Gleichberechtigung aller Einwohner in den Gemeinden des Kantons ankamen (vgl. Matter, Kanton Zug; Schläppi, Mehrheiten).
2. ZV, 30.5.1874. – Streng genommen waren es gar nicht die ersten Gemeindewahlen, an denen sich Niedergelassene beteiligen konnten. Nach Speck, Entstehung der Korporation, S. 90f., waren die Beisassen am 6. Februar 1848 mit von der Partie, als kurz nach Annahme der liberalen Kantonsverfassung der erste Stadtrat gewählt wurde. Speck sieht darin einen «Ausrutscher», der in unmittelbarem Zusammenhang mit der eben erst in Kraft gesetzten Verfassung und den damit verbundenen Rechtsunsicherheiten gestanden habe. Indes seien «viele konservative Bürger ob dieser Gleichberechtigung der Niedergelassenen brüskiert» gewesen, weil sie ihre Befürchtungen bestätigt sahen, die neu konstituierte «politische Bürgergemeinde» sei bloss die «Statthalterin der ungeliebten Einwohnergemeinde». Das «Gesetz über die Organisation des Gemeindewesens» vom 8. Mai 1851 trug dann wieder «die Handschrift der Konservativen» und beschränkte das Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten auf eingesessene und neue Ortsbürger, die zwar nicht mehr zur 1848 in die Selbständigkeit entlassenen Korporation zu gehören brauchten, sich aber in die Bürgergemeinde einkaufen mussten.
3. ZV, 27.5.1874.
4. ZV, 3.6.1874.
5. ZV, 26.8.1874.
6. Ausserdem argwöhnten die Liberalen, es könne derzeit ohnehin nichts von Belang erreicht werden, weil die Gemeindefrage ohne Güterausscheidung und ohne die dazu erforderlichen gesetzlichen Grundlagen «jahrelang leider provisorisch» bleiben werde (ZV, 26.8.1874). – Zum jahrhundertealten Begriff und zur politischen Bedeutung des «Trölens» vgl. Landolt, Trölen und Praktizieren; Schläppi, Mehrheiten, S. 201; Schweizerisches Idiotikon, Bd. 2, Sp. 915f.
7. In der Entstehungszeit des neuen Institutionengefüges veränderten sich die Selbst- und Fremdbezeichnungen der politischen Gremien schleichend, aber stetig. Anfang 1874 nannte sich der jahrhundertealte «Stadtrat» noch ganz selbstverständlich «Stadtrat». Ende Mai war dann von der «Ortsbürgergemeinde» die Rede, um sich von der «Corporationsgenossenschaft» abzugrenzen, sprich: von der «Korporation» bzw. der «Korporationsgemeinde». Nur eine Woche später definierte der «Stadtrat» selbstbewusst die künftige Geschäftsordnung für den noch gar nicht gewählten «Einwohner-Gemeinderat», der auf den 1. Juli seine Tätigkeit aufnehmen und sich mit dem dereinstigen «Ortsbürgerrat» (also dem vormaligen «Stadtrat») über die Zuständigkeiten verständigen sollte. Das Protokoll der Stadtratssitzung vom 10. Juni erwähnte die «Ortsbürger-» und die «Bürgergemeinde» und meinte damit den gleichen Personenverband. Nachdem sich der neue Rat der Einwohnergemeinde aufgrund von Vakanzen nicht fristgerecht hatte konstituieren können, hielt das althergebrachte Gremium eine weitere «Stadtratssitzung» ab. Am 16. Juli fand dann eine gemeinsame Sitzung von «Einwohnerrat» und «Ortsbürgerrat» statt, wie fortan die offiziellen Bezeichnungen lauteten. Zwei regierungsrätliche Schreiben an den Einwohnerrat vom 9. und 22. Juli sprachen vom «Stadtrat» bzw. von einer «stadträtl. Zuschrift». Am 17. September und am 28. Oktober bezeichnete sich der Einwohnerrat dann selbst als «Stadtrat», sah sich also allmählich in der Rechtsnachfolge der «politischen Gemeinde», worunter traditionell die Verwaltungsorganisationen der sog. «Einheitsgemeinde» bzw. des historischen Gemeinwesens als Ganzem verstanden wurden. Die Protokolle der einflussreichen «Finanzkommission» vom 25. und 27. November oszillierten zwischen «Einwohnerrat» und «Stadtrat». Während der Schreiber der Ortsbürgerschaft seine Protokolle am 9. Januar 1875 erstmals mit «Bürgerrat» überschrieb, mäandrierten die Selbstbezeichnungen der Einwohnergemeinde weiter, bis am 11. August 1875 das erste Sitzungsprotokoll mit «Einwohnerrat» überschreiben wurde (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 2.1.1874, 20.5.1874, 27.5.1874, 10.6.1874, 2.7.1874, 16.7.1874, 21.7.1874, 9.1.1875; BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 25.11.1874, 27.11.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874, 30.7.1874, 17.9.1874, 30.9.1874, 28.10.1874, 26.12.1874, 7.1.1875, 25.1.1875, 3.3.1875 [«Stadtrat» in Trakt. 76, 80, 83, «Einwohnerrat» in Trakt. 66, 79], 21.4.1875 [Erwähnung von «Hr. Stadtrat F. Stocker» in Trakt. 128], 15.7.1875 [Brief des Kirchgemeindepräsidenten an den «Stadtrat von Zug»], 11.8.1875). – Nach Speck, Entstehung der Korporation, S. 86, war die «Einheitsgemeinde» das Gemeinwesen, «dem in der Stadt Zug die umfassende politische Macht zukam, das die öffentliche Verwaltung besorgte und dem alle öffentlichen Güter, namentlich auch das Korporationsgut gehörten». Bei den Begriffen «Einheitsgemeinde» und «politische Gemeinde» dürfte es sich um verwaltungssprachliche Wortschöpfungen des 19. Jahrhunderts handeln, denn in vorrevolutionärer Zeit war durchgehend die Rede von der «Stadt» (als Rechtssubjekt) und/oder der «Bürgerschaft» (als Souverän).
8. Die Protokolle der politischen Gremien der Zeit hielten in den meisten Fällen nur Anträge und Beschlüsse fest. Um die im Meinungsaustrag geführten Diskussionen rekonstruieren und sich ein Bild des allgemeinen politischen Klimas und eine Vorstellung von den Denkweisen einzelner Akteure machen zu können, müssen die amtlich dokumentierten Narrative unbedingt durch parallele Überlieferungsstränge ergänzt und/oder kontrastiert werden. – Die Forschungsliteratur, die zum Thema für den Kanton Zug vorliegt, beschränkt sich auf drei lokalgeschichtliche Buchkapitel zu Baar, einige Auszüge aus einer verfassungsgeschichtlichen Dissertation sowie auf ein paar kurze Passagen aus der Geschichte des Ägeritals und der Dorfgeschichte von Cham (vgl. Baldinger, Raues Klima; Geschichte von Cham; Glauser, Aus eins mach drei; Matter, Kanton Zug; Morosoli, Sablonier, Furrer, Ägerital; Staub, Gemeindeausscheidung).
9. Nach Morosoli, Pressegeschichte, S. 75, hatte das Volksblatt 1876 eine Auflage von 746 Exemplaren, während die Neue Zuger Zeitung auf 1300 Exemplare kam. Bei rund 4400 Haushaltungen im Kanton Zug muten diese Zahlen vergleichsweise tief an. Das sagt aber nichts aus über die politische Relevanz der beiden Zeitungen. Namentlich in parteipolitisch gefärbten Auseinandersetzungen brachten sie die jeweiligen Diskurse nicht nur authentisch zum Ausdruck, sondern gestalteten diese zuhanden ihrer Leserschaft aktiv mit. Auch ist davon auszugehen, dass jede in Umlauf gebrachte Zeitung von mehr als nur einer Person gelesen wurde, dies insbesondere in von Parteigängern frequentierten Wirtshäusern. Die Zuger Nachrichten erschienen erstmals 1886. – Zu Stammlokalen politischer Fraktionen vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 201 Anm. 24.
10. Zur demographischen Entwicklung vgl. Glauser, Hoppe, Schelbert, 12 Bevölkerungsporträts.
11. Ein ausführlicher Lebenslauf und eine Würdigung Schwerzmanns politischer Arbeit finden sich bei Matter, Kanton Zug, S. 44–47.
12. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 56, Ausscheidung der Gmdegüter. Gesetzesentwurf vom Nov. 1874, in der Handschrift von Alois Schwerzmann.
13. Zuger Nachrichten [ZN], 25.8.1898.
14. Matter, Kanton Zug, S. 46.
15. ZV, 25.8.1898.
16. Vgl. ZN, 23.8.1898, 25.8.1898, 27.8.1898, 30.8.1898, 1.9.1898.
17. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Brief von Gustav Adolf Keiser an Alois Schwerzmann, 18.11.1848.
18. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Brief von Alois Schwerzmann an Gustav Adolf Keiser, 22.11.1848.
19. Vgl. Schläppi, Ökonomie des Gemeinwesens; Meier, Hintersassen. – In konservativen Bauerngemeinden stellten sich die analogen Probleme nicht in der gleichen Virulenz. – Zur fiskalischen Belastung von Niedergelassenen durch hohe Kopfsteuern am Beispiel von Unterägeri vgl. Morosoli, Sablonier, Furrer, Ägerital, Bd. 1, S. 217.
20. Neue Zuger Zeitung [NZGZ], 13.5.1874, 22.5.1875. – Zu den Gründen für den Ausschluss von demokratischer Teilhabe vgl. zuletzt Schläppi, Mehrheiten, S. 204.
21. ZV, 3.6.1874.
22. NZGZ, 10.6.1874.
23. Vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 197f.
24. Glauser, Aus eins mach drei, S. 15, 18.
25. Schanz, Steuern der Schweiz, Bd. 1, S. 205f., zufolge regelten die Gemeinden hierzulande ihre finanziellen Verhältnisse seit Jahrhunderten eigenmächtig. Aus diesem Grund erhielten sich im schweizerischen Finanzwesen «mittelalterliche Formen» über die Helvetik hinweg bis in die Moderne hinein. Nur «langsam, sehr langsam» sei es im 19. Jahrhundert «dem Staat in der Schweiz gelungen, die Autonomie der Gemeinden zu brechen und sie hinsichtlich der Steuern in feste Normen einzuengen». Die Bemühungen der helvetischen Autoritäten um staatliche Zentralisierung sowie um eine einheitliche Fiskalpolitik seien «wieder durch eine rückläufige Bewegung durchbrochen» und «die steuerliche Ungebundenheit der Gemeinden» wieder hergestellt worden. – Morosoli, Zweierlei Erbe, S. 429, 488, 497, 503–516, 520–530, 540 (Zitate 503, 521, 525), hat für Zug aufgezeigt, wie müh- und langsam der Aufbau eines Fiskalsystems nach dem formellen Ende des Ständezeitalters vonstattenging. Mit Blick auf Strukturen und Rechtspraktiken, die aus der Vormoderne ins 19. Jahrhundert hineinwirkten, gibt Morosoli zu bedenken, ein Staatshaushalt sei «nie ein gesamthaft durchdachtes System von Einnahmequellen, Ausgaben, Ausgabenverpflichtungen und Vermögensverwaltung» gewesen, das rational geplant worden wäre. Er war vielmehr Ergebnis vielfältiger Einflüsse und einer langwierigen Entwicklung, «in der anachronistische und moderne, skurrile und effiziente Elemente nicht unbedingt zweckmässig zusammenwirken. Alte Sonderrechte und -pflichten, Gewohnheiten und vermeintliche oder wirkliche Sachzwänge geben die Form vor, die nur schwer zu verändern ist und der sich der Staatshaushalt anzupassen hat». – Zu historischen Steuerkonflikten vgl. zuletzt Schläppi, Kommunaler und kollektiver Widerstand.
26. ZV, 4.3.1874.
27. Zum Begriff «Dekorporierung» vgl. Kocka, Weder Stand noch Klasse, S. 33.
28. Zu den konzeptionellen Überlegungen, die Anlass zu diesem Dreiteiler gegeben haben, vgl. Anm. 1.
29. Nach Matter, Kanton Zug, S. 163, demonstrierte die Stadt mit ihrem «Mustervertrag» als «wichtigste Gemeinde des Kantons», wie «speditiv und in gütlichem Einvernehmen ausgeschieden werden sollte». Vor dem Hintergrund der skizzierten Spannungen wirft diese Einschätzung Fragen auf. Entgegen der Behauptung von Matter ratifizierte der Regierungsrat den Ausscheidungsvertrag der Stadt nämlich nicht schon im Sommer 1875, sondern erst am 31. Januar 1878, als die meisten anderen Gemeinden ihre Ausscheidungen längst vollzogen hatten. Vgl. dazu auch Speck, Entstehung der Korporation, S. 94, der Matters Sicht tel quel übernommen hat.
30. Glauser, Aus eins mach drei, S. 18.
31. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 27.5.1874.
32. Mindestens was das Schulwesen angeht, griff der Bürgerrat hier den Ereignissen vor, wie sich wenig später zeigen würde (vgl. die nächsten Abschnitte).
33. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 21.7.1874 (Angaben zu Schreiber und Weibel); StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 31.5.1874.
34. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
35. Renato Morosoli hat für das «Historische Lexikon der Schweiz» Beiträge über viele der hier Genannten verfasst, so zu Blunschi, Bossard, Hediger, Hess, Keiser, Nussbaumer und Schwerzmann (vgl. die Nachweise im Literaturverzeichnis). Detaillierte Angaben zu den politischen Laufbahnen der erwähnten Akteure finden sich im Zuger Personen- und Ämterverzeichnis, weitere Hinweise und Einordnungen bei Schläppi, Mehrheiten, S. 214f. Anm. 87, 90. – Ausser in Zitaten orientiert sich die Schreibweise von Familiennamen in diesem Beitrag an jener des Zuger Personen- und Ämterverzeichnisses und des HLS. Die in den Akten durchgehend verwendete Bezeichnung «Dr. Kaiser-Muos» wird hier als stehender Quellenbegriff behandelt, obwohl besagter Magistrat in den gerade angeführten Referenzverzeichnissen unter «Keiser» gelistet wird.
36. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 3.6.1874.
37. Vgl. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 1.7.1874.
38. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874. – Auch die Bürgergemeinde, die laut Neuer Zuger Zeitung den ehemaligen Stadtrat ohne Gegenvorschlag bestätigte, verzeichnete Absagen, die wohl parteipolitisch begründet waren. Drei Tage nach der ersten Wahlveranstaltung vom 14. Juni 1874 musste der Bürgerrat zu Kenntnis nehmen, dass «Cantonsrat Casp. Landtwing u. Müller Stadlin» ihre Wahl per Schreiben vom gleichen Tag «entschieden» ablehnten. In der Nachwahl vom 12. Juli wurden zwei Konservative gewählt, der ehemalige Kantonsrat Josef Weiss und Korporationspräsident Dominik Hess, der auch gleich das Präsidium der Bürgergemeinde übernahm (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 17.6.1874, 1.7.1874; NZGZ, 17.6.1874). – Nach Raschle, Kein Start nach Mass, S. 103–105, war es der Korporation Zug nach ihrer Konstituierung am 6. Februar 1848 nicht besser ergangen, denn auch sie vermochte nicht alle Rats- und Kommissionssitze wunschgemäss zu besetzen.
39. ZV, 15.7.1874.
40. Der Stachel sass bei den Liberalen tief, denn die «hochultramontane Partei» hatte in den 1874er Wahlen einen «groben, politischen Missgriff getan». Weil «Unverstand und politischer Hass der Leitstern» sei, habe «man» den Liberalen nur noch einen von sieben Regierungsräten und drei von 17 Stadtzuger Kantonsräten «belassen» (ZV, 26.8.1874).
41. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874.
42. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 13.8.1874.
43. ZV, 26.8.1874.
44. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 29.8.1874.
45. ZV, 2.9.1874.
46. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 30.8.1874.
47. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874.
48. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874.
49. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 17.9.1874.
50. Vgl. NZGZ, 1.7.1874, 4.7.1874, 8.7.1874, 11.7.1874, 15.7.1874, 18.7.1874, 22.7.1874, 25.7.1874, 29.7.1874, 1.8.1874, 5.8.1874, 8.8.1874, 12.8.1874, 15.8.1874, 19.8.1874, 22.8.1874, 26.8.1874,29.8.1874, 2.9.1874, 5.9.1874.
51. NZGZ, 9.9.1874.
52. ZV, 26.8.1874.
53. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
54. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 3.6.1874.
55. ZV, 26.8.1874.
56. Vgl. Schläppi, Gastmähler, S. 126–133.
57. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 2.1.1874; Morosoli, «Keiser, Kaspar».
58. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874, 13.8.1874, 29.8.1874, 17.9.1874.
59. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 17.6.1874; NZGZ, 17.6.1874.
60. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 21.7.1874. – Als Grund für die Vollmacht wurde auf «den entfernten Wohnsitz des Präsidenten (in Oberwyl)» und auf deshalb zu erwartende Verzögerungen im Schriftverkehr verwiesen.
61. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874. – Im Protokoll des Bürgerrats fehlt der Hinweis darauf, dass Keiser den Vorsitz nicht übernehmen wollte. Hingegen findet sich in der Liste der anwesenden Einwohnerräte hinter seinem Namen der Vermerk «provisorisch angenommen». Die Mitschrift der Einwohnergemeinde hingegen beschränkte sich auf den Hinweis «definitive Annahme» bei den bereits fest gesetzten Herren Stocker und Kirchmeier Keiser (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 16.7.1874).
62. Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
63. NZGZ, 17.6.1874; ZV, 17.6.1874; StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874.
64. Vgl. Schläppi, Te Deum laudamus.
65. NZGZ, 16.12.1874.
66. ZV, 19.12.1874. – Zum Piusverein vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 198, 200.
67. NZGZ, 23.12.1874.
68. NZGZ, 26.12.1874. – Einziger Schönheitsfehler am Wahlsieg in der Stadt Zug waren anstössige Bemerkungen auf den ausgeteilten Kandidatenlisten der Konservativen, welche die Neue Zuger Zeitung den Liberalen zuschrieb. Das Volksblatt verwahrte sich dagegen, denn es hatte seinerseits vernommen, die Glossen seien «aus dem eigenen konservativen Lager» gekommen, und fragte deshalb rhetorisch, wie «Liberale unflätige Bemerkungen auf den Wahlzetteln hinterlassen haben» könnten, «wenn sie doch die Versammlung boykottierten?» (NZGZ, 26.12.1874; ZV, 30.12.1874).
69. ZV, 23.12.1874.
70. NZGZ, 26.12.1874. – Beim erwähnten Niedergelassenen handelte sich um Josef Meienberg von Baar, der von 1874 bis 1895 im Kirchenrat sass. Wie Franz Stocker, der trotz Wahlboykott seiner Partei 1874 in den Einwohnerrat gewählt worden war und nach fünf Amtsjahren nie mehr ein anderes Amt erlangen würde, war Meienberg in liberalen Kreisen ein kleines Licht. Auch für ihn blieb das Kirchenratsmandat das einzige Amt, und wie «liberal» er tatsächlich war, lässt sich letztlich nicht belegen. Das Zuger Personen- und Ämterverzeichnis vermerkt bei ihm keine Parteiaffiliation. – Zum Problem fehlender Angaben von Parteizugehörigkeiten und zur nur schleppenden Entstehung von Parteistrukturen und -apparaten vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 198 Anm. 7.
71. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 57, Protokoll des Kirchenrates, 28.12.1874.
72. Vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 211.
73. Ein überambitioniertes Projekt scheiterte 1877 vor dem Stimmvolk (vgl. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 65, Neu- resp. Umbau der Pfarrkirche Zug; ZV, 17.10.1877). Tatsächlich abgetragen wurde die alte Pfarrkirche St. Michael erst 1898, als sie einem Neubau in neugotischem Stil weichen musste, der 1902 fertiggestellt wurde (vgl. Kunstdenkmäler des Kantons Zug, S. 65f.).
74. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874.
75. Zum Folgenden vgl. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 16.7.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874; vgl. NZGZ, 17.6.1874.
76. Schwerzmanns Kenntnisse als ausgewiesener Spezialist in Verfassungs- und Verwaltungsfragen waren unbestritten und gefragt, sodass eine konstitutive Versammlung von seiner Anwesenheit grundsätzlich profitiert haben dürfte. Immerhin hatte er auch schon im Bürgerrat (Stadtrat) vom 27. Mai 1874, damals noch als dessen Präsident, die Geschäftsordnung des künftigen Einwohnerrates mitberaten. In seinem persönlichen Archiv findet sich eine Notiz von seiner Hand, die aufhorchen lässt, weil sie von den Beschlüssen, die betreffend Organisation des späteren Einwohnerrats ad hoc gefasst wurden, einzig durch einen stilistisch angepassten Wortlaut im Introitus und durch zwei Ergänzungen in der linken Randspalte abweicht. Es drängt sich die Vermutung auf, der Bürgerrat habe unter dem fraglichen Traktandum Nr. 274 eine Beschlussvorlage von Schwerzmann diskussions- und kritiklos durchgewunken. Die beiden Zusätze in Tinte auf dem Seitenrand des rätselhaften Papiers könnten sinnlogisch vor oder nach der Beratung des Geschäfts eingefügt worden sein (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 20.5.1874, 27.5.1874; StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, undatierte Notiz von Alois Schwerzmann mit Bleistiftvermerk «E.G. 31. Mai 74» in der Randspalte am unteren Seitenrand).
77. Dass der Regierungsrat das Schulwesen in die Kompetenz der Einwohnergemeinde gegeben hatte, war nicht selbstverständlich. Noch am Vortag der fraglichen Versammlung feuerte die Neue Zuger Zeitung aus allen Rohren und meinte, die Bürgergemeinde würde «jedenfalls mehr Sicherheit bieten, dass der stiftungsgemässe Zweck der Schulfonde gewahrt» bleibe und «jene flottante Bevölkerung ausgeschlossen» werde, die «so leicht dasjenige, was unsere Vorväter so mühsam gesammelt haben, leichtsinnig verschwenden, da sie ja die schlimmen Folgen dieser Unklugheit nicht zu tragen haben» (NZGZ, 15.7.1874). – Zu den fraglichen Beschwerden und zur Reaktion des Regierungsrats vgl. Matter, Kanton Zug, S. 159f.
78. Es ist bezeichnend, dass die betreffende Sitzung und das Reizthema der Zuständigkeiten im Zuger Volksblatt in den folgenden Wochen überhaupt nicht zur Sprache kamen (vgl. ZV, 18.7.1874, 22.7.1874, 25.7.1874, 29.7.1874, 1.8.1874, 5.8.1874, 8.8.1874, 12.8.1874, 15.8.1874, 19.8.1874, 22.8.1874). – Während die Konservativen ihre Beschwerden auf Bundesebene aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Ständerat mit Vorliebe an die Bundesversammlung richteten, gelangten die Liberalen jeweils an den Bundesrat oder an das Bundesgericht (vgl. zu dieser spannenden Zuger Tradition Schläppi, Mehrheiten, S. 200, 205–208, 208 Anm. 57).
79. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 2.8.1872.
80. BüA Zug B.12.3.0, Protokolle der Bürgergemeindeversammlungen 1872–1897, 17.5.1874.
81. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874.
82. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874, 17.9.1874.
83. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 16.4.1875.
84. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 25.11.1874, 31.12.1874. – Anlässlich der Bürgergemeinde vom 7. Oktober 1877 wurde der Kommission für «ihre vielfachen und schwierigen Arbeiten und Bemühungen für Wiederordnung des aus der Sechzigerperiode her gestörten Gemeindehaushalts» zuhanden des Protokolls gedankt (NZGZ, 10.10.1877).
85. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 8.3.1874, 25.11.1874, 27.11.1874, 9.11.1874, 9.1.1875; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 14.10.1874.
86. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 27.11.1874, 31.12.1874.
87. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Dominik Hess an Alois Schwerzmann, 29.10.1874.
Quellenverzeichnis
Ungedruckte Quellen
– BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880.
– BüA Zug B.12.3.0, Protokolle der Bürgergemeindeversammlungen 1872–1897.
– BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876.
– StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878.
– StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891.
– StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann.
Gedruckte Quellen
– Neue Zuger Zeitung [NZGZ]
– Zuger Nachrichten [ZN]
– Zuger Volksblatt [ZV]
Literaturverzeichnis
Nachschlagewerke
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– Staub, Carl, Die Gemeindeausscheidung in Baar. Aufteilung der Gemeinde in eine Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinde, 1874–1879, in: Heimatbuch Baar 8 (1959), S. 18–31.
1. Zuger Volksblatt [ZV], 30.5.1874. – Zum Auftakt der neuen digitalen Publikationsreihe des Stadtarchivs Zug «18 Grad» erscheint eine Trilogie, deren Titel inspiriert ist von Polanyi, The great transformation, das 1944 erstmals erschienen ist. Es handelt sich dabei um ein wegweisendes Werk des bekannten Wirtschaftssoziologen mit ungarischen Wurzeln, in dem er die Entwicklung von einer politisch, sozial und relational eingebetteten Ökonomie in eine individualisierte, anonyme, kapitalistische Marktwirtschaft anhand der englischen Verhältnisse beschrieben hat. Im Zuge dieses Wandels entstanden demokratische Institutionen und rationale Verwaltungen im Geiste der Aufklärung. Die Herausbildung von Nationalstaaten brachte die Niederlassungsfreiheit für alle Bürger und dynamisierte damit die Arbeitsmärkte in zuvor unvorstellbarem Ausmass. Dieser Dreiteiler zeigt am Beispiel der Stadt Zug idealtypisch auf, dass sich genau diese fundamentalen gesellschaftlichen Veränderungen im Kleinen weniger vermittels revolutionärer Zäsuren als vielmehr in Form langwieriger und hintergründiger Prozesse vollzogen. Der disruptive Triumph der Freisinnigen von 1848 war in Zug von kurzer Dauer. Der neuen Verfassung zum Trotz übernahmen nach einem liberalen Interregnum von nur zwei Jahren bis auf Weiteres wieder konservative Kräfte das Kommando. In der Folge brauchte es mehrere heftige Verfassungskämpfe und ein allmähliches Umdenken und Einlenken bei tonangebenden Entscheidungsträgern, bis elementare Errungenschaften der neuen Ordnung wie etwa die politische Gleichberechtigung aller Einwohner in den Gemeinden des Kantons ankamen (vgl. Matter, Kanton Zug; Schläppi, Mehrheiten).
2. ZV, 30.5.1874. – Streng genommen waren es gar nicht die ersten Gemeindewahlen, an denen sich Niedergelassene beteiligen konnten. Nach Speck, Entstehung der Korporation, S. 90f., waren die Beisassen am 6. Februar 1848 mit von der Partie, als kurz nach Annahme der liberalen Kantonsverfassung der erste Stadtrat gewählt wurde. Speck sieht darin einen «Ausrutscher», der in unmittelbarem Zusammenhang mit der eben erst in Kraft gesetzten Verfassung und den damit verbundenen Rechtsunsicherheiten gestanden habe. Indes seien «viele konservative Bürger ob dieser Gleichberechtigung der Niedergelassenen brüskiert» gewesen, weil sie ihre Befürchtungen bestätigt sahen, die neu konstituierte «politische Bürgergemeinde» sei bloss die «Statthalterin der ungeliebten Einwohnergemeinde». Das «Gesetz über die Organisation des Gemeindewesens» vom 8. Mai 1851 trug dann wieder «die Handschrift der Konservativen» und beschränkte das Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten auf eingesessene und neue Ortsbürger, die zwar nicht mehr zur 1848 in die Selbständigkeit entlassenen Korporation zu gehören brauchten, sich aber in die Bürgergemeinde einkaufen mussten.
3. ZV, 27.5.1874.
4. ZV, 3.6.1874.
5. ZV, 26.8.1874.
6. Ausserdem argwöhnten die Liberalen, es könne derzeit ohnehin nichts von Belang erreicht werden, weil die Gemeindefrage ohne Güterausscheidung und ohne die dazu erforderlichen gesetzlichen Grundlagen «jahrelang leider provisorisch» bleiben werde (ZV, 26.8.1874). – Zum jahrhundertealten Begriff und zur politischen Bedeutung des «Trölens» vgl. Landolt, Trölen und Praktizieren; Schläppi, Mehrheiten, S. 201; Schweizerisches Idiotikon, Bd. 2, Sp. 915f.
7. In der Entstehungszeit des neuen Institutionengefüges veränderten sich die Selbst- und Fremdbezeichnungen der politischen Gremien schleichend, aber stetig. Anfang 1874 nannte sich der jahrhundertealte «Stadtrat» noch ganz selbstverständlich «Stadtrat». Ende Mai war dann von der «Ortsbürgergemeinde» die Rede, um sich von der «Corporationsgenossenschaft» abzugrenzen, sprich: von der «Korporation» bzw. der «Korporationsgemeinde». Nur eine Woche später definierte der «Stadtrat» selbstbewusst die künftige Geschäftsordnung für den noch gar nicht gewählten «Einwohner-Gemeinderat», der auf den 1. Juli seine Tätigkeit aufnehmen und sich mit dem dereinstigen «Ortsbürgerrat» (also dem vormaligen «Stadtrat») über die Zuständigkeiten verständigen sollte. Das Protokoll der Stadtratssitzung vom 10. Juni erwähnte die «Ortsbürger-» und die «Bürgergemeinde» und meinte damit den gleichen Personenverband. Nachdem sich der neue Rat der Einwohnergemeinde aufgrund von Vakanzen nicht fristgerecht hatte konstituieren können, hielt das althergebrachte Gremium eine weitere «Stadtratssitzung» ab. Am 16. Juli fand dann eine gemeinsame Sitzung von «Einwohnerrat» und «Ortsbürgerrat» statt, wie fortan die offiziellen Bezeichnungen lauteten. Zwei regierungsrätliche Schreiben an den Einwohnerrat vom 9. und 22. Juli sprachen vom «Stadtrat» bzw. von einer «stadträtl. Zuschrift». Am 17. September und am 28. Oktober bezeichnete sich der Einwohnerrat dann selbst als «Stadtrat», sah sich also allmählich in der Rechtsnachfolge der «politischen Gemeinde», worunter traditionell die Verwaltungsorganisationen der sog. «Einheitsgemeinde» bzw. des historischen Gemeinwesens als Ganzem verstanden wurden. Die Protokolle der einflussreichen «Finanzkommission» vom 25. und 27. November oszillierten zwischen «Einwohnerrat» und «Stadtrat». Während der Schreiber der Ortsbürgerschaft seine Protokolle am 9. Januar 1875 erstmals mit «Bürgerrat» überschrieb, mäandrierten die Selbstbezeichnungen der Einwohnergemeinde weiter, bis am 11. August 1875 das erste Sitzungsprotokoll mit «Einwohnerrat» überschreiben wurde (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 2.1.1874, 20.5.1874, 27.5.1874, 10.6.1874, 2.7.1874, 16.7.1874, 21.7.1874, 9.1.1875; BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 25.11.1874, 27.11.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874, 30.7.1874, 17.9.1874, 30.9.1874, 28.10.1874, 26.12.1874, 7.1.1875, 25.1.1875, 3.3.1875 [«Stadtrat» in Trakt. 76, 80, 83, «Einwohnerrat» in Trakt. 66, 79], 21.4.1875 [Erwähnung von «Hr. Stadtrat F. Stocker» in Trakt. 128], 15.7.1875 [Brief des Kirchgemeindepräsidenten an den «Stadtrat von Zug»], 11.8.1875). – Nach Speck, Entstehung der Korporation, S. 86, war die «Einheitsgemeinde» das Gemeinwesen, «dem in der Stadt Zug die umfassende politische Macht zukam, das die öffentliche Verwaltung besorgte und dem alle öffentlichen Güter, namentlich auch das Korporationsgut gehörten». Bei den Begriffen «Einheitsgemeinde» und «politische Gemeinde» dürfte es sich um verwaltungssprachliche Wortschöpfungen des 19. Jahrhunderts handeln, denn in vorrevolutionärer Zeit war durchgehend die Rede von der «Stadt» (als Rechtssubjekt) und/oder der «Bürgerschaft» (als Souverän).
8. Die Protokolle der politischen Gremien der Zeit hielten in den meisten Fällen nur Anträge und Beschlüsse fest. Um die im Meinungsaustrag geführten Diskussionen rekonstruieren und sich ein Bild des allgemeinen politischen Klimas und eine Vorstellung von den Denkweisen einzelner Akteure machen zu können, müssen die amtlich dokumentierten Narrative unbedingt durch parallele Überlieferungsstränge ergänzt und/oder kontrastiert werden. – Die Forschungsliteratur, die zum Thema für den Kanton Zug vorliegt, beschränkt sich auf drei lokalgeschichtliche Buchkapitel zu Baar, einige Auszüge aus einer verfassungsgeschichtlichen Dissertation sowie auf ein paar kurze Passagen aus der Geschichte des Ägeritals und der Dorfgeschichte von Cham (vgl. Baldinger, Raues Klima; Geschichte von Cham; Glauser, Aus eins mach drei; Matter, Kanton Zug; Morosoli, Sablonier, Furrer, Ägerital; Staub, Gemeindeausscheidung).
9. Nach Morosoli, Pressegeschichte, S. 75, hatte das Volksblatt 1876 eine Auflage von 746 Exemplaren, während die Neue Zuger Zeitung auf 1300 Exemplare kam. Bei rund 4400 Haushaltungen im Kanton Zug muten diese Zahlen vergleichsweise tief an. Das sagt aber nichts aus über die politische Relevanz der beiden Zeitungen. Namentlich in parteipolitisch gefärbten Auseinandersetzungen brachten sie die jeweiligen Diskurse nicht nur authentisch zum Ausdruck, sondern gestalteten diese zuhanden ihrer Leserschaft aktiv mit. Auch ist davon auszugehen, dass jede in Umlauf gebrachte Zeitung von mehr als nur einer Person gelesen wurde, dies insbesondere in von Parteigängern frequentierten Wirtshäusern. Die Zuger Nachrichten erschienen erstmals 1886. – Zu Stammlokalen politischer Fraktionen vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 201 Anm. 24.
10. Zur demographischen Entwicklung vgl. Glauser, Hoppe, Schelbert, 12 Bevölkerungsporträts.
11. Ein ausführlicher Lebenslauf und eine Würdigung Schwerzmanns politischer Arbeit finden sich bei Matter, Kanton Zug, S. 44–47.
12. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 56, Ausscheidung der Gmdegüter. Gesetzesentwurf vom Nov. 1874, in der Handschrift von Alois Schwerzmann.
13. Zuger Nachrichten [ZN], 25.8.1898.
14. Matter, Kanton Zug, S. 46.
15. ZV, 25.8.1898.
16. Vgl. ZN, 23.8.1898, 25.8.1898, 27.8.1898, 30.8.1898, 1.9.1898.
17. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Brief von Gustav Adolf Keiser an Alois Schwerzmann, 18.11.1848.
18. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Brief von Alois Schwerzmann an Gustav Adolf Keiser, 22.11.1848.
19. Vgl. Schläppi, Ökonomie des Gemeinwesens; Meier, Hintersassen. – In konservativen Bauerngemeinden stellten sich die analogen Probleme nicht in der gleichen Virulenz. – Zur fiskalischen Belastung von Niedergelassenen durch hohe Kopfsteuern am Beispiel von Unterägeri vgl. Morosoli, Sablonier, Furrer, Ägerital, Bd. 1, S. 217.
20. Neue Zuger Zeitung [NZGZ], 13.5.1874, 22.5.1875. – Zu den Gründen für den Ausschluss von demokratischer Teilhabe vgl. zuletzt Schläppi, Mehrheiten, S. 204.
21. ZV, 3.6.1874.
22. NZGZ, 10.6.1874.
23. Vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 197f.
24. Glauser, Aus eins mach drei, S. 15, 18.
25. Schanz, Steuern der Schweiz, Bd. 1, S. 205f., zufolge regelten die Gemeinden hierzulande ihre finanziellen Verhältnisse seit Jahrhunderten eigenmächtig. Aus diesem Grund erhielten sich im schweizerischen Finanzwesen «mittelalterliche Formen» über die Helvetik hinweg bis in die Moderne hinein. Nur «langsam, sehr langsam» sei es im 19. Jahrhundert «dem Staat in der Schweiz gelungen, die Autonomie der Gemeinden zu brechen und sie hinsichtlich der Steuern in feste Normen einzuengen». Die Bemühungen der helvetischen Autoritäten um staatliche Zentralisierung sowie um eine einheitliche Fiskalpolitik seien «wieder durch eine rückläufige Bewegung durchbrochen» und «die steuerliche Ungebundenheit der Gemeinden» wieder hergestellt worden. – Morosoli, Zweierlei Erbe, S. 429, 488, 497, 503–516, 520–530, 540 (Zitate 503, 521, 525), hat für Zug aufgezeigt, wie müh- und langsam der Aufbau eines Fiskalsystems nach dem formellen Ende des Ständezeitalters vonstattenging. Mit Blick auf Strukturen und Rechtspraktiken, die aus der Vormoderne ins 19. Jahrhundert hineinwirkten, gibt Morosoli zu bedenken, ein Staatshaushalt sei «nie ein gesamthaft durchdachtes System von Einnahmequellen, Ausgaben, Ausgabenverpflichtungen und Vermögensverwaltung» gewesen, das rational geplant worden wäre. Er war vielmehr Ergebnis vielfältiger Einflüsse und einer langwierigen Entwicklung, «in der anachronistische und moderne, skurrile und effiziente Elemente nicht unbedingt zweckmässig zusammenwirken. Alte Sonderrechte und -pflichten, Gewohnheiten und vermeintliche oder wirkliche Sachzwänge geben die Form vor, die nur schwer zu verändern ist und der sich der Staatshaushalt anzupassen hat». – Zu historischen Steuerkonflikten vgl. zuletzt Schläppi, Kommunaler und kollektiver Widerstand.
26. ZV, 4.3.1874.
27. Zum Begriff «Dekorporierung» vgl. Kocka, Weder Stand noch Klasse, S. 33.
28. Zu den konzeptionellen Überlegungen, die Anlass zu diesem Dreiteiler gegeben haben, vgl. Anm. 1.
29. Nach Matter, Kanton Zug, S. 163, demonstrierte die Stadt mit ihrem «Mustervertrag» als «wichtigste Gemeinde des Kantons», wie «speditiv und in gütlichem Einvernehmen ausgeschieden werden sollte». Vor dem Hintergrund der skizzierten Spannungen wirft diese Einschätzung Fragen auf. Entgegen der Behauptung von Matter ratifizierte der Regierungsrat den Ausscheidungsvertrag der Stadt nämlich nicht schon im Sommer 1875, sondern erst am 31. Januar 1878, als die meisten anderen Gemeinden ihre Ausscheidungen längst vollzogen hatten. Vgl. dazu auch Speck, Entstehung der Korporation, S. 94, der Matters Sicht tel quel übernommen hat.
30. Glauser, Aus eins mach drei, S. 18.
31. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 27.5.1874.
32. Mindestens was das Schulwesen angeht, griff der Bürgerrat hier den Ereignissen vor, wie sich wenig später zeigen würde (vgl. die nächsten Abschnitte).
33. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 21.7.1874 (Angaben zu Schreiber und Weibel); StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 31.5.1874.
34. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
35. Renato Morosoli hat für das «Historische Lexikon der Schweiz» Beiträge über viele der hier Genannten verfasst, so zu Blunschi, Bossard, Hediger, Hess, Keiser, Nussbaumer und Schwerzmann (vgl. die Nachweise im Literaturverzeichnis). Detaillierte Angaben zu den politischen Laufbahnen der erwähnten Akteure finden sich im Zuger Personen- und Ämterverzeichnis, weitere Hinweise und Einordnungen bei Schläppi, Mehrheiten, S. 214f. Anm. 87, 90. – Ausser in Zitaten orientiert sich die Schreibweise von Familiennamen in diesem Beitrag an jener des Zuger Personen- und Ämterverzeichnisses und des HLS. Die in den Akten durchgehend verwendete Bezeichnung «Dr. Kaiser-Muos» wird hier als stehender Quellenbegriff behandelt, obwohl besagter Magistrat in den gerade angeführten Referenzverzeichnissen unter «Keiser» gelistet wird.
36. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 3.6.1874.
37. Vgl. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 1.7.1874.
38. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874. – Auch die Bürgergemeinde, die laut Neuer Zuger Zeitung den ehemaligen Stadtrat ohne Gegenvorschlag bestätigte, verzeichnete Absagen, die wohl parteipolitisch begründet waren. Drei Tage nach der ersten Wahlveranstaltung vom 14. Juni 1874 musste der Bürgerrat zu Kenntnis nehmen, dass «Cantonsrat Casp. Landtwing u. Müller Stadlin» ihre Wahl per Schreiben vom gleichen Tag «entschieden» ablehnten. In der Nachwahl vom 12. Juli wurden zwei Konservative gewählt, der ehemalige Kantonsrat Josef Weiss und Korporationspräsident Dominik Hess, der auch gleich das Präsidium der Bürgergemeinde übernahm (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 17.6.1874, 1.7.1874; NZGZ, 17.6.1874). – Nach Raschle, Kein Start nach Mass, S. 103–105, war es der Korporation Zug nach ihrer Konstituierung am 6. Februar 1848 nicht besser ergangen, denn auch sie vermochte nicht alle Rats- und Kommissionssitze wunschgemäss zu besetzen.
39. ZV, 15.7.1874.
40. Der Stachel sass bei den Liberalen tief, denn die «hochultramontane Partei» hatte in den 1874er Wahlen einen «groben, politischen Missgriff getan». Weil «Unverstand und politischer Hass der Leitstern» sei, habe «man» den Liberalen nur noch einen von sieben Regierungsräten und drei von 17 Stadtzuger Kantonsräten «belassen» (ZV, 26.8.1874).
41. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874.
42. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 13.8.1874.
43. ZV, 26.8.1874.
44. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 29.8.1874.
45. ZV, 2.9.1874.
46. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 30.8.1874.
47. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874.
48. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874.
49. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 17.9.1874.
50. Vgl. NZGZ, 1.7.1874, 4.7.1874, 8.7.1874, 11.7.1874, 15.7.1874, 18.7.1874, 22.7.1874, 25.7.1874, 29.7.1874, 1.8.1874, 5.8.1874, 8.8.1874, 12.8.1874, 15.8.1874, 19.8.1874, 22.8.1874, 26.8.1874,29.8.1874, 2.9.1874, 5.9.1874.
51. NZGZ, 9.9.1874.
52. ZV, 26.8.1874.
53. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
54. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 3.6.1874.
55. ZV, 26.8.1874.
56. Vgl. Schläppi, Gastmähler, S. 126–133.
57. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 2.1.1874; Morosoli, «Keiser, Kaspar».
58. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874, 13.8.1874, 29.8.1874, 17.9.1874.
59. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 17.6.1874; NZGZ, 17.6.1874.
60. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 21.7.1874. – Als Grund für die Vollmacht wurde auf «den entfernten Wohnsitz des Präsidenten (in Oberwyl)» und auf deshalb zu erwartende Verzögerungen im Schriftverkehr verwiesen.
61. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874. – Im Protokoll des Bürgerrats fehlt der Hinweis darauf, dass Keiser den Vorsitz nicht übernehmen wollte. Hingegen findet sich in der Liste der anwesenden Einwohnerräte hinter seinem Namen der Vermerk «provisorisch angenommen». Die Mitschrift der Einwohnergemeinde hingegen beschränkte sich auf den Hinweis «definitive Annahme» bei den bereits fest gesetzten Herren Stocker und Kirchmeier Keiser (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 16.7.1874).
62. Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 10.6.1874.
63. NZGZ, 17.6.1874; ZV, 17.6.1874; StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874.
64. Vgl. Schläppi, Te Deum laudamus.
65. NZGZ, 16.12.1874.
66. ZV, 19.12.1874. – Zum Piusverein vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 198, 200.
67. NZGZ, 23.12.1874.
68. NZGZ, 26.12.1874. – Einziger Schönheitsfehler am Wahlsieg in der Stadt Zug waren anstössige Bemerkungen auf den ausgeteilten Kandidatenlisten der Konservativen, welche die Neue Zuger Zeitung den Liberalen zuschrieb. Das Volksblatt verwahrte sich dagegen, denn es hatte seinerseits vernommen, die Glossen seien «aus dem eigenen konservativen Lager» gekommen, und fragte deshalb rhetorisch, wie «Liberale unflätige Bemerkungen auf den Wahlzetteln hinterlassen haben» könnten, «wenn sie doch die Versammlung boykottierten?» (NZGZ, 26.12.1874; ZV, 30.12.1874).
69. ZV, 23.12.1874.
70. NZGZ, 26.12.1874. – Beim erwähnten Niedergelassenen handelte sich um Josef Meienberg von Baar, der von 1874 bis 1895 im Kirchenrat sass. Wie Franz Stocker, der trotz Wahlboykott seiner Partei 1874 in den Einwohnerrat gewählt worden war und nach fünf Amtsjahren nie mehr ein anderes Amt erlangen würde, war Meienberg in liberalen Kreisen ein kleines Licht. Auch für ihn blieb das Kirchenratsmandat das einzige Amt, und wie «liberal» er tatsächlich war, lässt sich letztlich nicht belegen. Das Zuger Personen- und Ämterverzeichnis vermerkt bei ihm keine Parteiaffiliation. – Zum Problem fehlender Angaben von Parteizugehörigkeiten und zur nur schleppenden Entstehung von Parteistrukturen und -apparaten vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 198 Anm. 7.
71. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 57, Protokoll des Kirchenrates, 28.12.1874.
72. Vgl. Schläppi, Mehrheiten, S. 211.
73. Ein überambitioniertes Projekt scheiterte 1877 vor dem Stimmvolk (vgl. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 65, Neu- resp. Umbau der Pfarrkirche Zug; ZV, 17.10.1877). Tatsächlich abgetragen wurde die alte Pfarrkirche St. Michael erst 1898, als sie einem Neubau in neugotischem Stil weichen musste, der 1902 fertiggestellt wurde (vgl. Kunstdenkmäler des Kantons Zug, S. 65f.).
74. StadtA Zug F.2-1.6, Protokolle der Einwohnergemeindeversammlungen 1874–1891, 12.7.1874.
75. Zum Folgenden vgl. BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 16.7.1874; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 16.7.1874; vgl. NZGZ, 17.6.1874.
76. Schwerzmanns Kenntnisse als ausgewiesener Spezialist in Verfassungs- und Verwaltungsfragen waren unbestritten und gefragt, sodass eine konstitutive Versammlung von seiner Anwesenheit grundsätzlich profitiert haben dürfte. Immerhin hatte er auch schon im Bürgerrat (Stadtrat) vom 27. Mai 1874, damals noch als dessen Präsident, die Geschäftsordnung des künftigen Einwohnerrates mitberaten. In seinem persönlichen Archiv findet sich eine Notiz von seiner Hand, die aufhorchen lässt, weil sie von den Beschlüssen, die betreffend Organisation des späteren Einwohnerrats ad hoc gefasst wurden, einzig durch einen stilistisch angepassten Wortlaut im Introitus und durch zwei Ergänzungen in der linken Randspalte abweicht. Es drängt sich die Vermutung auf, der Bürgerrat habe unter dem fraglichen Traktandum Nr. 274 eine Beschlussvorlage von Schwerzmann diskussions- und kritiklos durchgewunken. Die beiden Zusätze in Tinte auf dem Seitenrand des rätselhaften Papiers könnten sinnlogisch vor oder nach der Beratung des Geschäfts eingefügt worden sein (BüA Zug B.12.00, Protokolle des Bürgerrats 1874–1880, 20.5.1874, 27.5.1874; StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, undatierte Notiz von Alois Schwerzmann mit Bleistiftvermerk «E.G. 31. Mai 74» in der Randspalte am unteren Seitenrand).
77. Dass der Regierungsrat das Schulwesen in die Kompetenz der Einwohnergemeinde gegeben hatte, war nicht selbstverständlich. Noch am Vortag der fraglichen Versammlung feuerte die Neue Zuger Zeitung aus allen Rohren und meinte, die Bürgergemeinde würde «jedenfalls mehr Sicherheit bieten, dass der stiftungsgemässe Zweck der Schulfonde gewahrt» bleibe und «jene flottante Bevölkerung ausgeschlossen» werde, die «so leicht dasjenige, was unsere Vorväter so mühsam gesammelt haben, leichtsinnig verschwenden, da sie ja die schlimmen Folgen dieser Unklugheit nicht zu tragen haben» (NZGZ, 15.7.1874). – Zu den fraglichen Beschwerden und zur Reaktion des Regierungsrats vgl. Matter, Kanton Zug, S. 159f.
78. Es ist bezeichnend, dass die betreffende Sitzung und das Reizthema der Zuständigkeiten im Zuger Volksblatt in den folgenden Wochen überhaupt nicht zur Sprache kamen (vgl. ZV, 18.7.1874, 22.7.1874, 25.7.1874, 29.7.1874, 1.8.1874, 5.8.1874, 8.8.1874, 12.8.1874, 15.8.1874, 19.8.1874, 22.8.1874). – Während die Konservativen ihre Beschwerden auf Bundesebene aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Ständerat mit Vorliebe an die Bundesversammlung richteten, gelangten die Liberalen jeweils an den Bundesrat oder an das Bundesgericht (vgl. zu dieser spannenden Zuger Tradition Schläppi, Mehrheiten, S. 200, 205–208, 208 Anm. 57).
79. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 2.8.1872.
80. BüA Zug B.12.3.0, Protokolle der Bürgergemeindeversammlungen 1872–1897, 17.5.1874.
81. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 30.7.1874.
82. StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 5.9.1874, 17.9.1874.
83. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 16.4.1875.
84. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 25.11.1874, 31.12.1874. – Anlässlich der Bürgergemeinde vom 7. Oktober 1877 wurde der Kommission für «ihre vielfachen und schwierigen Arbeiten und Bemühungen für Wiederordnung des aus der Sechzigerperiode her gestörten Gemeindehaushalts» zuhanden des Protokolls gedankt (NZGZ, 10.10.1877).
85. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 8.3.1874, 25.11.1874, 27.11.1874, 9.11.1874, 9.1.1875; StadtA Zug F.1-1.1.4, Protokolle des Einwohnerrats 1874–1878, 14.10.1874.
86. BüA Zug B.12.7, Protokolle der Finanzkommission 1870–1876, 27.11.1874, 31.12.1874.
87. StAZG P 66, Familienarchiv Schwerzmann, Mappe 75, Dominik Hess an Alois Schwerzmann, 29.10.1874.